Jimmy Edgar: Das System im Griff

Hört man die Musik von Jimmy Edgar, so kommen einem nicht zwangsläufig modulare Synthesizer in den Sinn. Sein raffinierter Style enstammt einem Schmelztiegel aus Funk und R&B, gespickt mit sich wandelnden Elementen aus Electro, House und Techno in bester Detroit-Manier. Das klingt ungemein sexy und will eigentlich so gar nicht zum Labortüftler-Image der Modular-Szene passen. Und wo andere modulare Musik eher versucht, den Intellekt anzusprechen, taugen seine Tracks zu echten Dancefloor-Krachern.
Während diese Gegensätze einerseits viel über die Professionalität von Edgars Produktionspraktiken verraten, widerlegen sie andererseits die Stereotypen, denen modulare Synthesizer bisweilen ausgesetzt sind und beweisen eindrucksvoll, wie vielseitig sie im Studio-Einsatz sein können. Unser Chat mit Edgar zeigt, wie Modular-Systeme einen bestimmten Stil bereichern können, anstatt ihn komplett zu verändern. Und er verdeutlicht, dass funktionale, musikalische Ergebnisse genauso machbar sind, wie ein Schwall aus atonalen Drones und Zaps.
Ich muss gestehen, dass ich ziemlich geplättet war, als ich dich das letzte Mal auflegen sah. Wie du den Schwerpunkt auf extrem gerade Rhythmen gelegt hast und kaum mal etwas Swing in deinem Set vorkam. Das meiste Material schien von dir selbst zu sein und ich frage mich, welche Rolle der Modular innerhalb dieser Electro-Funk-Grooves spielt.
Nun, ich will gar nicht so viele Worte über mein DJ-Set verlieren, aber ich organisiere alle meine Tracks nach dem Grad des Swings. Das hat rein technische Gründe, denn ich finde den Übergang von geradlinigen zu swingenden Sachen immer etwas holprig. In vielen House-Stücken kommt aber ein gewisser Swing-Anteil vor. Und deswegen sortiere ich sie. Ich mag House-Musik; aber eher die, die nicht swingt.
Was meine Modular-Musik betrifft, kommt es ganz drauf an. Ich finde es super, mit Swing zu experimentieren. Aber wenn ein Modular swingen soll, gibt es nicht sehr viele Möglichkeiten. Der Swingfaktor verschiebt jede Sekunde eine Sechszehntel-Note, entweder vor oder zurück. Danach muss man die Patches ausrichten. Entweder läuft die Clock komplett auf Swing oder man arbeitet mit MIDI. Manche Module gestatten das, andere wiederum nicht. Ich finde maschinengemachte Musik grundsätzlich toll.
Wirft man einen oberflächlichen Blick auf die modulare Szene, kommt man schnell mit dunkel aufgenommenen Videos in Berührung, in denen die wildesten Bleeps und Bloops moduliert werden, man aber niemanden wirklich zu Gesicht bekommt. Es lässt die Betrachter oft verwundert zurück. Sie fragen sich, wofür das gut ist, außer vielleicht Freunde mit komplexen Patches zu beeindrucken.
Ich denke, ich spreche diesbezüglich für eine Menge Leute, da ich erst kürzlich wieder bei der modularen Synthese landete, nachdem ich vorher schon einmal schlechte Erfahrungen damit gesammelt habe. Ich mache jetzt seit fast fünfzehn Jahren Musik und zur modularen Synthese fand ich in einem Studio von Freunden...
... Das war noch zu deiner Zeit in Detroit?
Ja, in Detroit. Electro-Jungs wie Ectomorph und Perspex, die kannten sich super mit Modularsystemen aus. Das war cool anzusehen. Als ich dann anfing, intensiver in das Thema einzutauchen, war ich gar nicht mehr so angetan. Es gab zu viele Leute, die einfach nur furchtbaren Lärm produzierten. Das ist für einen selbst sicherlich okay, aber wenn man damit demonstrieren will, was ein Modularsynthesizer kann, dann finde ich das nicht gerade förderlich oder inspirierend. Die meisten, die bei YouTube nach „Modular“ suchen, sind sicherlich erstmal irritiert ob der ganzen Geräusche, die sich herausholen lassen. Einfach so drauf los zu schrauben macht bestimmt Spass, aber mich hat vielmehr interessiert, was sich musikalisch damit auf die Beine stellen lässt. Bis vor fünf Jahren hatte ich keinen Schimmer, ob das überhaupt geht. Ich beschloss damals, den nächsten Schritt zu machen und fing an, mein eigenes System aufzubauen.
Wie hast du die Lernkurve genommen?
Aus vielerlei Gründen war das für mich gar nicht so schwierig. Einer davon ist, dass ich mich ganz gut mit Programmierung auskannte. Nichts Besonderes, aber ich habe ein paar Jahre lang wirklich viel mit Max/MSP gemacht und hatte dadurch das Basiswissen um Synthese schon ordentlich verinnerlicht. Durch Reaktor lernte ich viel über den Umgang mit Hardware. Es war also nicht wirklich neu. Ich hatte Spass daran, Dinge auszuprobieren, es war nie sowas wie eine lästige Pflicht. Der Begriff ,Lernkurve' ist wohl eher was für Leute, die sich keine Zeit nehmen wollen und nicht sonderlich Freude an einer spezifischen Sache haben. Man muss die Plackerei auch schon ein bisschen mögen.
Der Modular wird für junge Produzenten und Synthesefreaks zunehmend interessanter. Ist ein Basis-Rack als Einstieg deiner Meinung nach zu empfehlen oder doch eine Nummer zu groß?
Ich kann daran nichts negatives finden. Allerdings sollte man sich schon der Herausforderung bewusst sein, denn sonst können einen die unzähligen Möglichkeiten schnell überfordern. Wenn jemand überhaupt keine Ahnung von Synthese hat, sollte er so viel wie möglich recherchieren und herumexperimentieren. Aber das ist ja gleichzeitig auch das Tolle an Modularsystemen – man kann so prima daran rumforschen. Es ist vergleichbar mit dem Erlernen eines Instruments. Und der Modular ist je nach Bauweise nichts anderes. Man legt einfach Hand an und entdeckt all diese Möglichkeiten. Ich kann wirklich nur Gutes über das ganze Thema sagen.
Deine jüngste Mix-CD für Fabric besteht hauptsächlich aus deine eigenen Sachen. Die meisten davon haben einen deutlichen modularen Anstrich.
Bei den Sachen für den Fabric-Mix agiert der Modular substanziell als Drum-Maschine und als modularer Sequenzer. Über 4/4-Beats lege ich oft auffällige Sequenzen, um einen permanenten Fluss zu erreichen. Viel besteht aus modularem Effekt-Processing, insbesondere aus Bucket Brigade Delays. Dazu kommen EQing und Filter-Sequecing. Ich stehe auch extrem auf diese Cwejman-Resonatoren. Davon habe ich einige und sie sind unglaublich. Du brauchst einfach nur einen gewöhnlichen Metronom-Klick an das Modul senden und schon hast du dieses ganz besondere Klingeln. Es ist so ähnlich wie bei den Serge-Filtern, bei dem du nur einen Filter anpingen musst und es anfängt zu singen. Jeder Resonator hat vier stimmbare Pitches pro Modul. Es sind Band-Pass-Filter und damit lassen sich Marimba-Sounds oder abgefahrene metallische Klänge erzeugen. Ein echt tolles Modul.
Wie eng fühlst du dich dieser Tage mit dem Modular verbunden? Findet er in deinem vollen Tourkalender noch ausreichend Platz?
In meinem Fall ist das gar nicht so tragisch. Ich arbeite ja länger ohne Modularsysteme, als mit und brauche sie daher nicht zwingend, um Musik machen zu können. Für mich ist es halt ein weiteres Instrument. Doch selbst wenn ich jedes Wochenende auflege, bleibe ich im Herzen Produzent. Im Studio blühe ich richtig auf. Also bin ich offensichtlich gern mit meinem Modular zugange. Er ist für mich ohnehin mehr ein Instrument als ein Klangerzeuger. Ich nehme eine Menge Sachen auf und arbeite auf Tour daran weiter. Oder ich mache Remixe. Aber die Zeit im Studio ist mir am kostbarsten. Entscheidend ist, alles in Balance zu halten.
Bleiben Sie mit Jimmy Edgar über seine Website und Soundcloud in Kontakt.
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