Irgendwer hört immer zu: KMRU und der Wert von geteilter Musik

Für viele Künstler ist es mit einer gewissen Verletzlichkeit verbunden, ihre Musik zu teilen. Wenn man seine Arbeit in die Welt schickt, stellt man sein kreatives Verständnis zur Diskussion und setzt sich Beurteilung, Interpretation und Kritik aus.
Menschen mit einem bestimmten Temperament blühen dabei möglicherweise auf: sie sind extrovertiert, produktiv und mit den performativen Mechanismen von moderner Eigenwerbung vertraut. Für sie fühlen sich Musik-Releases wahrscheinlich wie Partys an, inklusive perfekt kuratierten Bildern, Kostümen, cleveren Hashtags und algorithmusfreundlichen Kampagnen.
Aber was, wenn man für solcherlei Spektakel nicht gemacht ist? Was ist, wenn Musik für Menschen etwas Ruhigeres, In-Sich-Gekehrtes ist? Ein langsamer und unsicherer Prozess, der auf Emotionen beruht? Oder einfach nur Ausdruck des Bedürfnisses, der Welt einen Sinn zu geben?
Heute, wo im Grunde alles zu Content wird, kann das für besonders große Anspannung sorgen. Musik zu teilen, bedeutet oft, sich in einem Online-Ökosystem zurechtzufinden, das Beständigkeit, Sichtbarkeit und Dynamik belohnt – allesamt Charakteristika, die nicht unbedingt zur Beschaffenheit jeder künstlerischen Arbeit passen.
Schließlich ist Musik nicht nur ein Produkt, das verkauft werden soll; sie ist eine Form des Selbstausdrucks. Ihre Bedeutung und Nachvollziehbarkeit sind zutiefst persönlich und variieren von Zuhörer zu Zuhörer.
Für den Musiker und Klangkünstler Joseph Kamaru (auf der Bühne als KMRU unterwegs) geht es beim Veröffentlichen von Musik weniger um die Bewerbung als vielmehr um eine stetige Präsenz. Seine Ambient-Kompositionen zeichnen sich durch den subtilen Einsatz von Feldaufnahmen, atmosphärische Pads und sanft verwobene Elemente aus. Sie bauen sich beharrlich auf und enthüllen Räume sowohl als Thema wie auch als Medium. Wenn Kamaru seine Musik teilt, ist das eher nicht als Pitch oder Kampagne zu verstehen, sondern als stille Einladung: aufmerksam zuzuhören und sich beim Erleben vom Sound leiten zu lassen.
Gemeinsam mit Mixcloud haben wir uns kürzlich mit Kamaru zusammengesetzt, um die Kunst des Musikteilens zu ergründen. Und auch die Tools und Ansätze, die seinen Prozess prägen. Ergänzend zu diesem Artikel stellt Kamaru auch eine Auswahl von Feldaufnahmen aus seinem Archiv zum Herunterladen und Ausprobieren zur Verfügung.
Kamaru ist in Kariokor, einem Teil von Nairobi, aufgewachsen und erinnert sich an seine ersten Begegnungen mit urbaner Musik, als er als Passagier in Matatus mitgefahren ist. Matatus sind Busse, die in Nairobi für den öffentlichen Nahverkehr eingesetzt werden. Sie sind ein wichtiger Teil der urbanen Kultur. Oft sind sie farbenfroh mit Graffiti und Popkultur-Referenzen dekoriert und vor allem mit dröhnenden Soundsystemen ausgestattet. „In denen wurden immer Mixes mit allem möglichen Sound gespielt“, erinnert sich Kamaru. „Das war wahrscheinlich meine erste und prägendste Perspektive aufs Musikhören, aber von dort hat sie sich weiterentwickelt.“
Kamarus musikalische Berufung war schon in jungen Jahren offensichtlich. Schon in der Grundschule trat er dem Chor bei, wurde später in der High School „Musikkapitän“ und ließ sich vom Erbe seines verstorbenen Großvaters Joseph Kamaru inspirieren, der nicht nur ein bekannter Benga- und Gospelmusiker war sondern auch politischer Aktivist. Aber erst an der Uni, mit Gitarre und Laptop gewappnet, fing er an, selbst zu komponieren. Feldaufnahmen, die später zu einem Eckpfeiler von Kamarus Praxis werden sollten, mischten sich fast durch Zufall darunter.
„Alles hat mit einem Zoom-Recorder angefangen“, erinnert sich Kamaru. „Am Anfang wollte ich mir einfach ein Audio-Interface zulegen, aber den Zoom-Recorder fand ich am interessantesten, weil er auch Mikrofone hatte. Er hat mir diese bis dahin unbekannte Welt der Feldaufnahmen eröffnet. Wenn ich mir manchmal eine davon anhöre, fühlt sie sich wie eine Momentaufnahme an, wie die Dokumentation eines Raums. Manche Aufnahmen fühlen sich einfach wie ein eigenständiger Track an. Sie haben eine Art natürliche Harmonie.“

Kamaru fängt mit seinem Zoom-Recorder Berlins Klanglandschaften im Jahr 2025 ein
Teilen ohne Erwartungen oder Bindungen
Kamarus Verständnis davon, Musik zu teilen, basiert auf einem offenen State of Mind, den er während seiner frühen Jahre in der Musikszene Nairobis entwickelt hat. Bevor Vertriebsplattformen und digitale Kampagnen zum Standard wurden, waren Online-Sharing-Plattformen für Musik ein Raum, in dem sich Ideen schnell entwickeln und Feedback frei fließen konnte.
„So eine Freiheit habe ich oft erlebt, als ich gerade angefangen habe, Musik zu machen“, sagt Kamaru. „In Nairobi haben wir einfach Tracks hochgeladen und sie mit Kollegen und Freunden geteilt. Alle haben sich auf neue Releases gefreut. Das war super aufregend."
Es gab keine Strategie dahinter und keinen Release-Plan, nur ein gemeinsames Feeling des Entdeckens und eine Dynamik. „Man hat einen Track gemacht und ihn einfach rausgebracht. Freunde haben einem Feedback gegeben und man war einfach happy, dass man etwas gemacht hat. Das hat gereicht.“
Tools zum Kreieren und Teilen
Kamarus kreativer Prozess stützt sich aufs Experimentieren. Im Studio wie auf der Bühne vertraut er auf ein Setup aus Software und Hardware, das zur Spontaneität einlädt.
„Ich mache viele Skizzen“, sagt er. „Ich habe ppooll verwendet, eine MaxMSP-basierte Anwendung, die sehr ergiebig, aber auch chaotisch ist. Ich packe Samples und Feldaufnahmen rein und fange an, Skizzen zu machen. Manchmal bin ich mir nicht mal sicher, wohin alles geht, aber im Hintergrund läuft immer die Aufnahme in Ableton Live.“
Im Studio wechselt Kamaru zwischen verschiedensten Geräten wie Gitarrenpedalen, Elektrons Digitone und der Sidrax-Orgel und fängt damit Momente ein, wie sie entstehen. Auf der Bühne baut er Sets rund um den Session View von Ableton Live auf und benutzt Push, um Stems in Echtzeit zu triggern und anzupassen. „Push habe ich immer dabei“, sagt er. „Ich benutze es wie einen Mixer, fade Stems ein, spiele Synths und verarbeite Feldaufnahmen. Eine sehr physische Art zu performen.“

Kamaru teilt Radiosendungen, Mixe und neuerdings auch einzelne Tracks über Mixcloud
Kamaru beobachtet, dass die Plattformen unterschiedliche Bedürfnisse erfüllen, wenn man Musik teilen will. „Autonomie ist für mich ein Schlüsselbegriff beim Veröffentlichen“, sagt er. „Ich möchte so frei wie möglich sein und Plattformen nutzen, die es mir ermöglichen, die Veröffentlichung meiner Musik zu kontrollieren. Ich hatte mir ursprünglich einen Mixcloud-Account gemacht, weil mein Eindruck war, dass der Fokus dort auf Releases von längeren Mixen und der Archivierung von Radiosendungen lag. Aber kürzlich habe ich gemerkt, dass man dort auch einzelne Tracks veröffentlichen kann.“
Die Label-Route
Eine Zeit lang hat Kamaru versucht, seine Musik über ein Plattenlabel zu veröffentlichen, in der Hoffnung, ein breiteres Publikum zu erreichen. „Ich erinnere mich noch, wie ich meinen ersten Labelvertrag unterschrieben habe, und das war ein riesiges Gefühl.“ Seine Musik über Labels zu verbreiten, brachte zwar Bekanntheit aber auch Einschränkungen mit sich. „Es gibt da dieses ganze Strategie-Ding, von dem ich nichts wusste“, sagt er. „Man sollte zum Beispiel nach der Veröffentlichung eines Albums einen Monat warten, bevor man andere Sachen teilt. Ich wollte einfach nur Musik releasen. Aber plötzlich gab es diese Zeitfenster, diese versteckten Strukturen, denen man folgen muss.“
Kamaru erinnert sich, dass er im selben Jahr drei Alben herausgebracht hat. Ein Schritt, der nach Branchenstandards fast schon rebellisch gewirkt haben mag. Diese Freiheit, sagt er, hat er von seinem Großvater geerbt. „Er hat Musik basierend auf den Ereignissen in seinem Leben veröffentlicht. Er verfolgte dabei keine Kampagnen-Strategie, sondern hat eben released, wenn er es wollte. Ich habe immer versucht, das System ein bisschen an mich anzupassen, auch wenn ich weiß, dass das einen Effekt darauf haben kann, wie meine Musik ankommt. Es ist interessant, wie unterschiedlich Menschen Musik rausbringen. Aber für mich ging es immer darum, was sich im Moment richtig anfühlt.“
„Du bist verletzlich. Du weißt, dass es nicht jedermanns Sache ist, aber du bist trotzdem froh, dass es draußen ist.“
Neben der Arbeit mit Labels hat Kamaru Ausgleich in ruhigeren, überlegteren Arten gefunden, Musik zu verbreiten und zu veröffentlichen: durch physische Tapes, Alben im Eigenrelease und Experimente mit kleineren Auflagen. „Sozusagen Self-Release, aber achtsam“, ment er. „Vor allem, nachdem ich die andere Seite der Musikindustrie kennengelernt habe, die nicht immer gut für die Musik ist.“
Veröffentlichungs-Frequenz: Was ist zu viel und was ist zu wenig?
In einer Zeit, die von Sichtbarkeit und Social-Media-KPIs geprägt ist, stellt sich für viele Künstler die Frage nach der Kadenz: Steigt die Interaktion mit der Output-Menge oder ist Zurückhaltung sinnvoll? „Ich glaube, es gab mal ein Jahr, in dem ich viel gemacht habe“, sagt Kamaru. „Das kam aus dieser Freiheit, einfach aus dem Wunsch, diese musikalischen Experimente von mir freizugeben. Dieses Jahr war wahrscheinlich das Jahr, in dem ich am längsten nichts veröffentlicht habe. Manchmal hilft Momentum, aber es geht auch um die Musik selbst.“

Der Feedback-Loop nach dem Release
Viele Kreative wollen, dass ihre Arbeit authentisch und unverfälscht bleibt, aber dass sie gleichzeitig zugänglich und nachvollziehbar ist. In dem Moment, in dem wir uns einem Publikum vorstellen, erzeugen wir Wahrnehmung und Kritik. Aber wie viel Gewicht sollte man dem beimessen? Ist es unvermeidlich, dass Feedback unsere kreativen Entscheidungen beeinflusst, wenn auch nur auf subtile Weise?
Obwohl er bereits einen umfangreichen Katalog an Releases hat, ist der Moment, in dem er ein neues Werk enthüllt und mit der Welt teilt, für Kamaru immer noch mit großer Aufregung und Verletzlichkeit verbunden. „Es ist, als würde man ein neues Spielzeug bekommen und es seinem Freund zeigen“, sagt er. „Manchmal erzeugt es solche heftigen Reaktionen. Plötzlich hören alle zu, manche schreiben sogar darüber. In gewisser Weise ist es ein Privileg. Die Vorfreude des Publikums spüren. Ein Projekt herauszubringen und zu spüren, wie es aufgenommen wird.“
Dennoch weiß Kamaru, dass die Musik ein anderes Leben beginnt, sobald sie released ist. „Ich kann nicht kontrollieren, was die Leute darüber denken. Es ist wie bei jedem Kunstwerk: Man trifft eine Entscheidung, und wenn es einmal draußen ist, kann man nichts mehr ändern. Dann ist es an anderen, zu entscheiden, was es für sie bedeutet.“
Dieses Gefühl des Loslassens ist einer der Gründe, warum das Veröffentlichen für Kamaru eine so große Bedeutung hat. „Ich finde, das ist das Schöne daran“, sagt er. „Du bist verletzlich. Du weißt, dass es nicht jedermanns Sache ist, aber du bist trotzdem froh, dass es draußen ist.“
Kamaru schaut sich seine früheren Arbeiten oft an, nicht um sie zu überarbeiten oder zu hinterfragen, sondern um besser zu verstehen, wo er zu diesem Zeitpunkt stand und warum sie den gewünschten Anklang fanden. „Ich schaue zurück, höre zu und frage mich: Warum gefällt den Leuten dieses Projekt wirklich? Aber ich versuche, meine Entscheidungen unabhängig davon zu treffen, was die Leute sagen. Ich versuche nicht, einem Publikum zu gefallen. Momentan bin ich in einer Phase des intensiven Experimentierens und teste verschiedene Techniken, die sich vielleicht ganz anders anhören werden, als die Leute erwarten.“
Dieser Geist der Risikobereitschaft spiegelt sich auch in seinem Portfolio; er lebt ihn, auch wenn er Unsicherheit mit sich bringt. „Es ist schon scary“, gibt er zu, „aber es ist auch spannend zu sehen, was die Leute denken werden.“
Rückblickend betrachtet Kamaru jedes Projekt als Teil einer sich fortentwickelnden Studie von Prozess und Absicht. „Jedes Release ist Teil deines eigenen Wachstums“, meint er. „Man bereut es nicht.“ Es ist eine Recherche für deine eigene Arbeitsweise. Das ist es, was ich daran liebe.“

Kamaru nutzt Push, um Stems in Echtzeit triggern und zu sie anzupassen
Wann ist der richrige Moment zum Teilen?
Für viele Musiker ist es schwierig festzulegen, wann ein Stück fertig ist. Es gibt immer Details, die noch optimiert werden könnten, oder noch weitere Ideen, denen man nachgehen könnte. Zum kreativen Prozess gehört aber auch, zu lernen, wann man sich zurücklehnen und darauf vertrauen muss, dass das Werk für sich allein steht.
Kamarus Prozess verläuft oft in Phasen, beginnend mit kreativen Entdeckungsreisen und später dem Akt des Teilens. „Im Moment befinde ich mich in dieser kreativen Phase und schreibe Tracks für ein mögliches Album“, sagt er. „Wenn ich die Tracks fertigmache und mische, versuche ich nicht, mich zu sehr auf Finetuning jedes Details zu konzentrieren, damit es ‚perfekt‘ klingt. Denn wie gut kann es am Ende wirklich klingen?“
Sobald Kamaru den Track an den Mastering-Engineer schickt, erlebt er das als Wendepunkt. „In dem Moment muss ich nur noch ein Release-Date festlegen. Wenn ich etwas selbst veröffentliche, kann ich die Dinge nach meinen eigenen Vorstellungen planen. Aber wenn es über ein Label läuft, kommt dann der Prozess der Timelines und Planung.“
Die unvorhersehbare Kunst der Promo
Die andere Seite des Musikteilens ist natürlich ihre Bewerbung. Für viele Künstler besteht die Herausforderung darin, ihre Authentizität zu bewahren und sich gleichzeitig in der immer druckvollen Welt der Eigenwerbung zurechtzufinden.
Kamaru ist sich der Herausforderung bewusst, Werbung und Kreativität in Einklang zu bringen. „Werbung ist immer ein Lernprozess“, sagt er. „Als Künstler will man seine Arbeit auf die bestmögliche Weise in die Welt bringen. Werbung ist eher eine administrative Angelegenheit. Es besteht immer diese Spannung zwischen der künstlerischen Seite und dem, was deiner Musik hilft, an Zugkraft zu gewinnen. Normalerweise bin ich damit ok, zu tun, was ich kann. Aber es stellt sich immer die Frage: Wie viel ist genug? Wie viel soll ich noch teilen? Es gibt immer eine gewisse Grenze dafür, wie viel man dadurch bewegt.“
Was die Bewerbung deiner Arbeit für Ergebnisse erntet, kann frustrierend unvorhersehbar sein. Eine mit einer umfassenden PR-Kampagne veröffentlichte EP kann klanglos untergehen, während ein im völlig Stillen selbst veröffentlichtes Projekt unerwartet viral geht.
„Ich habe das Gefühl, dass ich mir durch meine Eigenveröffentlichungen ein großes Publikum aufgebaut habe“, reflektiert Kamaru. „Manchmal habe ich bei denen nicht viel erklärt, sondern nur den Titel und das Artwork geteilt, ohne zu sagen, wie die Musik gemacht wurde oder worum es geht. Es ist vielleicht nicht die beste Art, Musik zu veröffentlichen, aber mir ist aufgefallen, dass dieser Ansatz eine gewisse Vorfreude weckt.“
„Ich’versuche immer, die Grenzen dessen zu verwischen, wie Musik geteilt wird“, erklärt er, „seien es Formate, Strukturen oder die Art und Weise, wie Menschen mit dem Werk interagieren.“
Durch die Arbeit mit Labels und PR-Teams hat Kamaru eine andere Seite der Promo kennengelernt. Eine, die strukturierter vorgeht, die aber vielleicht nicht in jedem Kontext unbedingt nötig ist. „Eine Freundin von mir hat eine PR-Agentur. Sie meinte irgendwann einmal: ‚Kamaru, du musst nicht viel Geld für eine komplette Kampagne ausgeben. Bring einfach deine Musik raus und ich mache ein Mailing.‘ Das ergab für mich Sinn. Ich weiß es zu schätzen, mit Menschen aus dieser Welt im Dialog zu sein.“ Klar kann man die beste PR und die besten Publizisten auf seiner Seite haben. Aber eins von meinen Projekten, das ich ohne jegliche Unterstützung released habe, war einfach so ziemlich erfolgreich und die Leute haben sich sehr dafür interessiert.“
Solche unerwarteten Erfolge, wie der von Kamaru berichtete, dienen oft als Katalysatoren, die Following und Profil eines Künstlers stärken. Eine Art „Hit“, auch wenn man selten weiß, welches Stück es wird. Auf die Frage, ob es eine bestimmte Platte gibt, die für ihn besonders war, nennt Kamaru „ Peel“, erschienen 2020. „Sie hat mir Türen geöffnet: zu Festivals und in der Musikwelt. Plötzlich war ich Teil dieses Kreislaufs aus Labels, Agenturen und Auftritten.“
Aber auch trotz dieses Erfolgs hat Kamaru weiterhin mit verschiedenen Möglichkeiten von Self-Releases rumprobiert. Ein Beispiel dafür war im darauffolgenden Jahr „Natur“. Anders als bei einem herkömmlichen Album bestand das Projekt aus einem einzelnen, durchgehenden Track mit einer Laufzeit von über 50 Minuten. „Ichversuche immer, die Grenzen dessen zu verwischen, wie Musik geteilt wird[2] “, erklärt er, „seien es Formate, Strukturen oder die Art und Weise, wie Menschen mit dem Werk interagieren.“.
Kamaru denkt an ein Release namens Temporarily Stored, bei dem er erst gezögert hatte, bevor er es rausgab. „Es war sehr kontextbezogen“, erklärt er. „Es war ein Forschungsprojekt zur Rückführung von in Museen gespeicherten Sounds. Ich ging nicht davon aus, dass es viel Aufmerksamkeit oder Presse bekommen würde.“ Doch das Projekt fand sein Publikum auf andere Weise. „Die Kunstwelt hat es geschätzt. Es war wie ein Kunstprojekt, das auf musikalische Weise released wurde.“ Kamaru machte Tapes, lud sie kostenlos hoch und machte sich keine Gedanken über einen sonst üblichen Album-Rollout. Ein Jahr später wurde das Projekt für eine Ausstellung angefragt. „Weitere Künstlerinnen und Künstler wurden eingeladen, sich mit dem Archiv zu beschäftigen. Es wurde zu einem fortlaufenden Projekt, das immer noch wächst“, sagt er. Ich bin wirklich froh, dass ich es so rausgebracht habe, wie ich es rausgebracht habe.“
Irgendwer hört immer zu
Auf die Frage, was er jemandem raten würde, der Musik macht, sich aber noch nicht bereit fühlt, sie zu teilen, antwortet Kamaru mit stiller Überzeugung.
„Beim Teilen wird einem bewusst, was man wirklich veröffentlichen möchte“, meint er. „Freunden, die wirklich gute Musik machen, sage ich gerne: ‚Bring sie einfach raus.‘ Irgendjemand hört immer zu. Es gibt immer diese eine Person oder Gruppe von Leuten, die es interessiert, was du machst.“
Manchmal, sagt er, braucht man nur eine minimale Geste, um sich sicherer zu fühlen. „Selbst wenn sich nur eine Person meldet und sagt, dass sie deinen Track gehört hat, ist das wie ein Schulterklopfen. Man denkt sich: ‚Okay, ja, ich werde mehr Sachen rausbringen.‘“
Wenn du noch am Rand sitzt, aber mit dem Gedanken spielst, etwas rauszubringen, ist Kamarus Rat einfach: „Release deine Musik, auch wenn es sich unangenehm anfühlt.“ Verletzlich zu sein, gehört dazu.“ Er betont auch den Wert einer zweiten Meinung. „Suche dir ein zweites Ohr, einen Mentor oder einen anderen Künstler, dem du vertraust. Es gibt so viele gute Menschen auf der Welt. Du kannst einfach hingehen und sagen: „Hey, ich habe das gemacht, magst du mir sagen, wie du es findest.“ So habe ich Freundschaften aufgebaut. Einige haben online angefangen und sind dann real weitergegangen. Das ist wirklich hilfreich.”
Wenn er das Erlebnis, Musik zu teilen, in drei Worten beschreiben soll, hält Kamaru einen Moment inne: „Freiheit, Aufregung und Unbekanntes“, sagt er dann.

Bleibe zu KMRU auf Mixcloud, Instagram und seiner Website auf dem Laufenden
Text von Joseph Joyce
Interview von Joseph Joyce und Yemi Abiade
Fotografie von Palma Llopis
Eine Version dieses Interviews erscheint auf Mixcloud.com