
Ende letzten Jahres schickte uns David Abravanel durch die Geschichte der elektronischen Kick-Drum. Jetzt ist er zurĂŒck â mit einer Betrachtung der akustischen Kick-Drum. FĂŒr seinen Artikel hat er auch mit Abe Seiferth gesprochen, der als Produzent, Toningenieur und Musiker schon mit Yeasayer, Neon Indian, RAC und vielen anderen zusammengearbeitet hat.
Der Anschlag. Der Wumms. Das Gewicht. Und der Anker.
Im modernen Drumset ist die Kick-Drum ein Orientierungspunkt fĂŒr den Bass â und oft der wichtigste Zeitgeber. AuĂerdem erdet sie die Rhythmus-Sektion. Manche Kick-Drums sind ziemlich komplex â zum Beispiel bei Metal-Drummern mit DoppelfuĂmaschine â aber selbst dann halten sie die Dinge auf dem Boden.
Wie hat sich die moderne Kick-Drum entwickelt? Wie nehmen wir sie am besten auf und mixen sie? Und wie setzen wir die Kick-Drum optimal in den Track? Zuerst werde ich die Entwicklung der akustischen Kick-Drum anhand klassischer Beispiele betrachten. Und dann: Tools von Ableton Live fĂŒr hervorragend klingende Kicks, die perfekt in den Mix passen.
Am Anfang waren groĂe Trommeln
Historisch gesehen stammt die moderne Kick-Drum von verschiedenen groĂen Trommeln ab, deren Klang weit in die tiefen Frequenzen reicht. Zum Beispiel die Pauke: In Orchestern ist sie fĂŒr gestimmte Bass-Perkussion zustĂ€ndig. Hier zeigt Markus Rhoten, der Perkussionist der New Yorker Philharmoniker, mehrere dieser dröhnenden UngetĂŒme:
In der klassischen Musik Japans spielen dagegen Taiko-Trommeln eine wichtige Rolle (âTaikoâ = âgroĂe Trommelâ). Sie werden meist im Ensemble gespielt und lassen sich in Live mit dem Japanese Taiko Percussion Pack von Sonica nachbilden. Im Nahen Osten und in Nordafrika wiederum gaben die osmanischen âlangen Trommelnâ den Ton an â groĂe und bassige Instrumente, die auch heute noch in traditionellen Mehter-Kapellen zum Einsatz kommen.
Die Trommeln einer tĂŒrkisch/osmanischen Mether-Kapelle
HerzstĂŒck des Drumsets
Die moderne Kick-Drum ist ein zentraler Teil des Drumsets â einer Zusammenstellung von Schlaginstrumenten, die in mehreren Genres genutzt wird. WĂ€hrend die frĂŒhen Drumsets noch in Marschkapellen zum Einsatz kamen, wurde mit dem Jazz der 1910er Jahre das im Sitzen gespielte Drumset eingefĂŒhrt.
Es ist wichtig, sich daran zu erinnern, dass die Musik zur Zeit des New-Orleans-Jazz (in den spĂ€ten 1910er und frĂŒhen 1920er Jahren) immer noch eine weitgehend akustische Angelegenheit war. Radios waren ein Luxus und zudem nicht portabel. Und AbspielgerĂ€te fĂŒr das Musikhören zu Hause waren nicht nur Ă€hnlich teuer, sondern klangen ohne elektronische VerstĂ€rkung auch sehr lo-fi. In dieser Zeit war die Kick-Drum akustisch unschlagbar â dank ihrer LautstĂ€rke in KonzertrĂ€umen. VerstĂ€rkte Live-Konzerte waren damals immer noch die Ausnahme, weshalb Ensembles in akustischer Hinsicht ausgewogen sein mussten.
Die Recording-Revolution: Hall auf die Kick
Wir springen ein paar Jahrzehnte vorwĂ€rts â in die 1960er Jahre. Hier war das Homerecording ein groĂes GeschĂ€ft geworden. Parallel zur elektronischen MusikvervielfĂ€ltigung hatte sich auch die Studiotechnologie weiterentwickelt: Verbesserte Mikrofonmodelle und die ersten EQs und Kompressoren sorgten fĂŒr eine kontinuierliche QualitĂ€tssteigerung. Trotzdem war es immer noch schwierig, eine klare und druckvolle Kick-Drum so aufzunehmen, dass sie das Gewicht und die PrĂ€senz einer live gespielten Kick-Drum besaĂ.
The Ronettes â âBe My Babyâ
Mit dem 1963 erschienenen Song âBe My Babyâ von The Ronettes errichtete der legendĂ€re Produzent Phil Spector seine Wall of Sound â eine ProduktionsĂ€sthetik, bei der eine druckvolle und mit Hall bearbeitete akustische Kick-Drum den Mix-Anker darstellte. Die Drums wurden von dem renommierten Session-Schlagzeuger Hal Blaine gespielt. Die Kick-Drum wurde nah abgenommen, spĂ€ter trĂ€nkte Spector die Aufnahme in Hall. Weil keine knallig klingende Snare-Drum verwendet wurde, konnte die dröhnende Kick-Drum noch mehr in den Vordergrund treten. Dieser Musicradar-Artikel beschreibt die Nachbildung des Drum-Sounds von âBe My Babyâ im Detail.

Ein WFL-Drumkit aus den 1950er Jahren
Der Produzent Abe Seiferth verwendet ein spezielles Setup, um die Resonanz, das Dröhnen und den Körper der Kick-Drum auszugleichen: âAlles beginnt mit der Klangquelle. Meine Haupt-Kick-Drum im Studio ist eine stark modifizierte 22"-WFL-Kick aus den 1950er Jahren. Um die Obertöne zu verringern, habe ich das Resonanzfell entfernt und ein schweres Kissen in die Trommel gelegt, das am Schlagfell anliegt und fĂŒr das ideale Decay sorgt. Die Spannböckchen sind mit Schaumstoff gefĂŒllt, damit nichts rasselt. Mein Lieblings-Kick-Mikro ist das AKG D12. Es fĂ€ngt genĂŒgend BĂ€sse ein â mit einem guten MaĂ an Isolation. Beim Aufnehmen nutze ich oft einen Neve 1073-Preamp und einen Pultec-EQ.â
Multi-Mikrofonierung
Akustische Drums werden meist mit mehreren Mikros aufgenommen. Die Nah-Mikros fangen den Hauptklang ein, die Raum-Mikros den Nachhall im Raum. Die Overhead-Mikros werden ĂŒber dem Schlagzeug angebracht â und es gibt noch weitere Mikrofone. Abe Seiferth ĂŒber seine Strategie fĂŒr das Multi-Mic-Recording: âIch nutze unterschiedliche Mikro-Setups â je nachdem, ob ich Samples oder eine Drum-Performance aufnehme. Stereo-Overheads oder Stereo-Raummikros können den Sound lebendiger machen. Bei der Kick-Drum sind nicht nur die tiefen Frequenzen wichtig, sondern auch die höheren. Wenn die Kick-Drum gesampelt werden soll, empfehle ich zusĂ€tzliche Stereo-Mikros und ein Highpass-Filter bei 250 Hz oder höher, damit fĂŒr die mittleren und hohen Frequenzen ein Stereobild aufgenommen werden kann. Wenn mehrere Mikros verwendet werden, sollte man sich genĂŒgend Zeit nehmen und die Phasen ĂŒberprĂŒfen.â
Sie haben kein Drumset zum Sampeln? Das Ableton-Pack Session Drums Multimic (Teil von Live 10 Suite) liefert Ihnen fast 13 GB an akribisch multi-gesampelten Drum-Sounds, die mit mehreren flexiblen Mikros aufgenommen wurden. Neben Nah-, Overhead- und Raum-Mikros bietet Session Drums Multimic fĂŒr manche Sounds auch Snare-Bleed â das leise Schnarren der Snare-Drum, wenn sie im Einklang mit den Resonanzen anderer Klangquellen schwingt (genau wie bei Vinyl und Röhrenverzerrung: Was frĂŒher ein Ărgernis darstellte, ist heute ein attraktiver Aspekt akustischer Drums).
Wie bei allen anderen Samples erfordern die Multi-Mic-Hits von Session Drums zusĂ€tzliche Finesse, um den gewĂŒnschten Sound zu liefern. Achten Sie beim folgenden Beispiel auf den Vorher/Nachher-Unterschied: Hier werden einzelne Instrumente und Busse der Drums mit Kompression, EQ, Gated Reverb, Drum Buss und Glue Compressor bearbeitet.
Das richtige MaĂ fĂŒr die Kompression
Oft wird gesagt (und vielen Produzent:innen und Musikschaffenden zugeschrieben), dass Ăberkompression der Sound des Rock'n'Roll sei. Sicherlich kann dieses Stilmittel ein Schlagzeug wilder klingen lassen â mit einer wuchtigen akustischen Kick-Drum als Anker, die im verringerten Dynamikbereich die Cymbals wegdrĂŒckt. Ăberkomprimierte Drums waren in den 1970er und 80er Jahren sehr beliebt â von den stampfenden Rhythmen des Glam Rock bis zu den heftigen Double-Kick-Drums des Thrash Metal.
Trotzdem ist beim Ăberkomprimieren einer akustischen Kick-Drum Vorsicht angebracht. Es kann nĂ€mlich passieren, dass dadurch der Wumms entweicht und nur noch ein âPingâ ĂŒbrig bleibt â schneller als man â... and Justice For Allâ sagen kann. In den folgenden Beispielen hören Sie akustische Drums â zuerst ĂŒberkomprimiert, dann mit einer Parallelkompression mit der Einstellung 60 % Wet. Auf diese Weise geht der Wumms der trockenen Kick-Drum im Mix nicht verloren. Der Effekt ist zwar subtil, aber es geht um den wichtigen Unterschied zwischen angenehm zupackenden Drums und einer rasselnden Kokosnuss:
Hier der Rat von Abe Seiferth: âAkustische Kick-Drums sollten nicht ĂŒberkomprimiert werden. In der Kick-Drum-Aufnahmespur verwende ich selten Kompression (Drum-Bus-Kompression dagegen schon). Besonders im Kontext der kompletten Drum-Performance geht dabei etwas verloren. Das Problem: Man erhöht dadurch das Grundrauschen. Wenn man die Kick-Drum runterdrĂŒckt, wirkt sich die Kompression ungewollt auch auf andere Sounds aus, zum Beispiel die Becken. NatĂŒrlich kann man die Kick-Drum gaten, anschlieĂend mit einem Kompressor zerfetzen und auf diese Weise interessante Drum-Sounds bekommen. Aber beim traditionellen Mixing hatte ich noch nie GlĂŒck mit Gates auf der Kick-Drum: Immer gingen die Attack-Transienten verloren.â
Elektronische und akustische Kick-Drums mischen
Manchmal reicht eine akustische Kick-Drum fĂŒr die gewĂŒnschte Wirkung nicht aus. GlĂŒcklicherweise können Sie in einer DAW wie Live akustische Drum-Sounds ganz leicht mit elektronischen Drum-Hits kombinieren: Versuchen Sie doch mal, die akustische Kick-Drum mit einer 909-Kick zu unterlegen â fĂŒr mehr Wumms.
Auch zu diesem Thema hat Abe Seiferth gute Tipps: âIch nutze oft Kick-Samples in einem Mix mit live gespielten Drums â vor allem fĂŒr den tieferen Frequenzbereich. Bei aktueller Musik sind konsistente und zielgerichtete BĂ€sse sehr wichtig. Legen Sie ein Highpass-Filter in die Spur der akustischen Kick-Drum, damit nur die elektronische Kick-Drum fĂŒr die SubbĂ€sse verantwortlich ist. So vermeiden Sie mögliche Phasenauslöschungen. Vielleicht sollten Sie auch das Kick-Sample mit einem Lowpass-Filter bearbeiten â aus demselben Grund.
âIm Allgemeinen finde ich, dass die höheren Frequenzen elektronischer Kick-Drums ein bisschen langweilig klingen â selbst in der elektronischen Musik. Deswegen nutze ich beim Produzieren gerne die höheren Frequenzen einer live gespielten akustischen Kick-Drum. Sie sorgen fĂŒr Charakter und natĂŒrliche KlangverĂ€nderungen im Song, wĂ€hrend eine elektronische Kick-Drum das Bass-Fundament legt.â
âGet your kicks...â
Wie geht die akustische Kick-Drum-Reise weiter? Genau: Mit neuen Drum-Samples! Die folgenden Packs liefern inspirierende Samples moderner Kick-Drums, traditioneller Trommeln und anderer Schlaginstrumente:
Session Drums Multimic von Ableton (in Live 10 Suite enthalten)
Drum Booth von Ableton (in Live 10 Suite enthalten)
Japanese Taiko Percussion von Sonica
Bully Kit von Toontrack
Text und Interview: David Abravanel
WFL drum kit image: source