The Big Playback: Lerne die Spezialisten kennen, die hinter deinen Lieblings-Live-Shows stecken

Wie live ist live?
In der Welt der Musik-Performances bedeutet „live“ schon längst nicht mehr das, wofür es einst stand. Künstler, die mit ihrem Laptop auftreten, tun in der Praxis etwas völlig anderes, als jemand, der eine Gitarre zupft. Für viele Elektro-Musiker bedeutet performen, dass sie die Stems ihrer aufgenommenen Musik triggern. Darf man hierbei von einem Akt der spontanen Schöpfung sprechen oder handelt es sich einfach um die verschönerte Wiedergabe eines im Studio vorab festgehaltenen Moments?
Auf diese Grauzone stößt man praktisch in jeder Form von moderner Performance. Dein Lieblings-Popstar singt wahrscheinlich live. Aber was ist mit den Backing-Vocals, die die Refrains so richtig fett machen? Oder die Schichten von Synthesizern und Gitarren, die vierköpfige Rockbands begleiten? Sie sind geisterhafte Stützpfeiler aus vergangenen Studiosessions. Und sie werden von der Macht des Playbacks heraufbeschworen.
Es gab eine Zeit, da waren Playbacks noch elektronischer Musik und Shows mit großen Budgets vorbehalten. Heute findet man sie praktisch überall. Durch den Einsatz von Playback bekommt unser Erleben von Musik eine gewisse Ambivalenz – ist solche Musik wirklich noch live? Aber es bringt auch Möglichkeiten mit sich. Wenn ein Playback gut gemacht ist, klingt die Show größer und noch mehr wie die Platte, die wir lieben. Es ermöglicht spektakulär synchronisierte Visuals und Lichteffekte. Im besten Fall hilft Playback dabei, die perfekte Mischung aus Studio-Feinschliff und der Magie des Augenblicks zu schaffen.

Bühnenansicht aus der Perspektive des Playback-Spezialisten
Allerdings kann bei Playbacks auch einiges schiefgehen. Musikdirektor Tom Cane von der Firma A Work in Progress erklärt die Risiken: „Wenn man dabei Mist baut, kann's sein, dass man auch das Licht ruiniert. Auch die Leute auf der Bühne können deswegen schnell alt aussehen. Genau wie das Autotune des Sängers oder der Sängerin. Man kann damit wortwörtlich alles ruinieren.“
Wer also übernimmt diese bescheidene, aber wichtige Aufgabe? Darauf gibt es keine einfache Antwort. In manchen Fällen kümmern sich die Musiker selbst um ihr Playback. In anderen wird die Aufgabe auf mehrere Personen verteilt. Aber oft – insbesondere bei größeren Shows – übernimmt ein Playback-Spezialist (oder -Techniker) diesen Job.
Dieser Mensch tut einiges mehr, als nur den Playbutton von Stems zu drücken. Unter Umständen stellt er das Playback-Euqipment zusammen, bearbeitet die Songs des Künstlers neu oder sorgt für Live-Gesangseffekte. In seiner hybriden Rolle verbinden sich die Performance-Fähigkeiten eines Session-Musikers mit den Mixing- und Arrangement-Skills aus der Studiowelt sowie dem Knowhow von Bühnentechnikern.
Wer sich mit Playbacks beschäftigt, bekommt viel Einblick darein, wie Live-Musik funktioniert. Und man erfährt einiges über Veränderungen in der Musikbranche, die sich auch auf Künstler wie Fans auswirken. Darüber hinaus ist es eine prima Möglichkeit, um sich Tipps fürs Zusammenstellen des eigenen Rigs zu holen – ganz egal, wie groß es sein soll.

Der Blick von Playback-Spezialist Justin Jones auf Chappell Roan beim Primavera Barcelona 2025. Foto: Malcolm Gil.
Was ist das für ein Job?
Was genau macht man also als Playback-Spezialist? Mario Estrada Mari, der sich bei Künstlern wie Residente und Tainy um die Playbacks kümmert, definiert es so: „Playback-Spezialisten sind bei Live-Shows für die Wiedergabe von Backing-Tracks, Utility-Audio wie Cues, Klick- und Timecodes sowie MIDI-Automatisierung verantwortlich.“ Sie managen auch die oft hochentwickelten Playback-Systeme, die diese Daten liefern.
Jede Musik-Performance, in der irgendwelche voraufgezeichneten Elemente vorkommen, kann einen Playback-Spezialisten erfordern. Sie werden normalerweise gezielt für bestimmte für Shows oder Tourneen gebucht und ihre Arbeit beginnt lange vor der ersten Probe.
Als Playback-Spezialist arbeitet man mit Künstlern oder deren musikalischer Leitung zusammen, um ein Gefühl für die kreative Vision der Show und die verfügbaren Ressourcen zu bekommen. Man bereitet ein passendes Playback-System vor, nimmt an den Proben teil und verfeinert das Material gemeinsam mit der Band. Viele gehen mit auf Tour und sind dann entweder auf der Bühne oder dahinter dabei. Stefano Garotta von Shortcuts Playback Solutions beschreibt Playback als abwechslungsreichen Job „voller Aufgaben, Reisen, Menschen, Hardware und Software“.
„Stems sind einfach der größte Albtraum auf Erden. Niemand kann sich einigen, was wie benannt werden soll. Mindestens ein Stem ist immer falsch und muss neu gebounced werden, und alle sind viel zu busy, um das zu machen.“
Es gibt im Playback-Bereich viele Leute, die quer einsteigen. Das können Musikproduzenten, Studiopros mit richtiger Ausbildung, Bühnentechniker oder Sessionmusiker sein. Wie Tom Cane erklärt, haben sie alle vielfältige Fähigkeiten, „von der Technologie über Musiktheorie bis hin zum Spielen. Sie müssen Produktion verstehen. Sie müssen was vom Songwriting verstehen. Sie müssen etwas Ahnung vom Musikgeschäft haben. Das ist schon ein breites Spektrum an Fähigkeiten.“
Das Nervenzentrum eines Playbacks ist normalerweise ein Projekt in einer DAW wie Ableton Live. Playback-Spezialisten kriegen zunächst die Stems der Künstlerinnen und Künstler und fügen sie entsprechend der bereitgestellten Setlist zusammen. Allein dieser Teil der Arbeit erfordert Geschick und Geduld. „[Stems] sind einfach der größte Albtraum auf Erden.“, lacht Cane. „Niemand kann sich einigen, was wie benannt werden soll. Mindestens ein [Stamm] ist immer falsch und muss neu gebounced werden, und alle sind viel zu busy, um das zu machen.“
Der Künstler möchte die Songs vielleicht nicht genau so spielen, wie sie auf der Platte klingen. Der Playback-Spezialist muss möglicherweise Übergänge zwischen den Tracks erstellen oder Songs zu Medleys kombinieren, wobei Arrangement- und Editting-Skills gefragt sind, über die normalerweise eher Produzenten verfügen.
Um einen konsistenten Sound über das gesamte Set hinweg zu erzielen, müssen die Stems möglicherweise auch gemischt werden. „Wenn Artists größere Diskografien haben, klingen die Songs im Laufe der Jahre oft ganz anders“, sagt Live-Show-Musikproduzent Remi Lauw. „Dann bitten sie mich, sie besser aufeinander abzustimmen, was schon eine echt spaßige Herausforderung ist.“

Playback-Station mit Toningenieur Remon Hubert bei KANEs Show in Amsterdam
Lauw hat kürzlich an der Reunion-Tour der niederländischen Rockband KANE gearbeitet und bekam den Auftrag, ungemischte Pro Tools-Sessions aus den 2000er Jahren aufzupolieren. „Sie haben mir viel Freiheit gegeben, um die Tracks auf den neuesten Stand zu bringen. Ich habe auch ein paar zusätzliche Produktionselemente und Instrumente hinzugefügt.“
Beim Playback geht es aber nicht nur um Audio. Playback-Spezialisten fügen Klicktracks und Count-Ins hinzu und sorgen dafür, dass die richtigen Künstler hören, was sie hören müssen. Sie können MIDI-Patch-Änderungen einfügen, die an Instrumente auf der Bühne gesendet werden sollen, beispielsweise an Synthesizer. Einige Künstler spielen möglicherweise mit MIDI-Controllern, die Sounds im Live-Projekt der Playback-Spezialisten auslösen.
Die meisten Playback-Projekte senden auch lineare Timecodes , sodass Visuals und Beleuchtung eng mit der Musik synchronisiert werden können. Matt Cox von Gravity Rigs, einem Unternehmen, das Wiedergabesysteme für elektronische Musiker entwickelt, erklärt, das sei zunehmend ein Bestandteil ihrer Arbeit. „Wir müssen uns mittlerweile mit den Video- und Beleuchtungsteams zusammensetzen. Und das können durchaus Gesprächsrunden zu dritt oder zu viert sein, in denen man klärt, was wohin geht und wer Trigger und Timecode schicken muss.“

Matt von Gravity Rigs überwacht vier verbundene Computer, auf denen Ableton für den Schweizer DJ Luciano läuft
Manchmal ist es eben diese Synchronisation, die für Shows essenziell ist. Mario Estrada Mari stand bei der Arbeit an einer Show mit Residente vor einer ganz besonderen Herausforderung.
„Im Skript der Show standen mehrere Monolog-Parts, bei denen Residente sprechen sollte und die gesprochenen Worte auf einer Schreibmaschine auf einem riesigen Screen hinter ihm geschrieben erschienen. Das Schreibmaschinenvideo war vorab aufgezeichnet, sodass er die Wörter im exakten Timing vortragen musste, damit sie synchron wirkten. Das haben wir erreicht, indem wir Audio Cues und Timecodes in die Playback-Session in Live eingebaut haben. Residente hat die Cues über sein In-Ear-Monitoring gehört und dazu gesprochen, und der Videoserver hat das Schreibmaschinenvideo synchron abgespielt.“
Wenn die Proben erst einmal begonnen haben, könnte man denken, dass die Aufgabe des Playbacks nur noch darin besteht, die Leertaste zu drücken, während die Band die Songs spielt. Aber tatsächlich kann das durchaus der komplizierteste Teil des Prozesses sein.
„Meistens werden deine Skills während der Proben erst so richtig auf die Probe gestellt“, sagt Estrada Mari. „Plötzlich möchten Künstler Medleys aus fünf Songs und drei verschiedene Versionen eines Tracks, weil auf einmal Gastkünstler für eine Show verfügbar sind. Die Künstler, die Band und die Techniker warten allesamt darauf, dass du diese Anpassungen an der Playback-Session an den Start bringst, um mit der Arbeit fortfahren zu können. Und das geht so bis zur ersten Show. Dann kann es sein, dass das auch während der Tour noch ein paar Mal passiert.“

Mario Estrada Maris Setup am Bühnenrand bei einer Show von Residente.
Dieser ganze Prozess umspannt eventuell nur einen kleinen Zeitraum. Die Welt der Livemusik ist schnelllebig und Playback-Spezialisten müssen oft kurzfristig einspringen. Justin Jones hat angefangen, als Playback-Spezialist bei einer Musikregieagentur zu arbeiten, nachdem er vorher Studioassistent und Producer war. Und er wurde sofort ins kalte Wasser geworfen.
„Die Show eines Künstlers wurde um zwei Wochen vorverlegt, und er meinte: ‚Kannst du vorbeikommen, einen Tag mit uns proben und dann eine Show machen?‘“ Als das gut lief, wurde Jones einem Künstler zugeteilt, der bei einem Arena-Gig den Eröffnungsslot spielte. Von seinen letzten Touren mit Chappell Roan tauchten Live-Videos in allen Social-Media-Feeds auf, was den Druck erhöhte. „Die Größe der Crowd war definitiv ein Faktor. Diese Momente werden jetzt festgehalten und dann in allen sozialen Medien verbreitet. Man will also auf gar keinen Fall, dass es dabei zu irgendwelchen Stolperern kommt.“
„Plötzlich möchten Künstler Medleys aus fünf Songs und drei verschiedene Versionen eines Tracks, weil auf einmal Gastkünstler für eine Show verfügbar sind."
Playback-Spezialisten müssen nicht nur einen kühlen Kopf bewahren, sondern auch vielseitig und lösungsorientiert sein, selbst wenn sie in letzter Minute mit Anfragen konfrontiert werden, sagt Jones. „Wenn mich jemand bittet, etwas zu tun, sage ich nicht einfach nein, es sei denn, es ist [unmöglich]. Sich an jede Situation anpassen zu können, ist wirklich wichtig.“
Um große Shows herum herrscht eine intensive Atmosphäre. Da ist es auch hilfreich, ein kontaktfreudiger Mensch zu sein. „Man verbringt richtig viel Zeit mit anderen Menschen. Nicht alle haben mit der Audioseite der Sache zu tun – da gibt's ja auch Video, Special Effects, Tourmanager. Letztendlich lieben wir alle Musik, aber sind alle auch sehr unterschiedlich. Daher ist es schon wichtig, Humor zu haben, sodass die Leute gerne Zeit mit dir verbringen.“
Vergrößern und Verkleinern
Jones arbeitet an Shows mit großem Budget, bei denen höchste Produktionsqualität vorausgesetzt wird und bei denen die Künstler von großen Spezialistenteams unterstützt werden. Playbacks gibt es in diesem Segment schon lange und sie sind mit dem technologischen Fortschritt sowie der zunehmenden Komplexität von Produktionen noch wichtiger geworden.
Auch die übrige Musikwelt spürt die Auswirkungen davon. Es ist eine Henne-Ei-Frage: Haben leistungsstarke, erschwingliche Laptops Künstlerinnen und Künstler aller Art dazu inspiriert, ihre Shows durch flüssige Playbacks und Visuals aufzuwerten? Oder hat sie die Nachfrage des Publikums, das an das Spektakel größerer Shows gewöhnt ist, dazu getrieben?
„Ich glaube, die Leute sind es gewohnt, Shows mit einem bestimmten Produktionsniveau zu sehen“, sagt Matt Cox. „Sie sind daran gewöhnt, starke Multimedia-Erlebnisse zu sehen. Es besteht ein echter Wunsch und die reale Anforderung, ihnen das zu geben. Und es hat dafür gesorgt, dass die Leute das Niveau ihrer ihre Showproduktionen steigern mussten.“
Cox arbeitet hauptsächlich im Bereich der elektronischen Musik, wo im Grunde alle Künstler Playback-Spezialisten sind. Aber obwohl sie viel mit Stems, MIDI-Daten und dem Rest arbeiten, sind Elektro-Künstler unter Umständen keine Experten für Playback-Systeme.
„Heutzutage gibt es so viel Technologie“, sagt Cox. „Es ist einigermaßen herausfordernd für die meisten, sich durch all diese Optionen zu kämpfen, um zu entscheiden, welches Equipment am besten passt und womit man seine Sachen am besten hinkriegt. Wir helfen Leuten genau dabei. Wir verfügen über Erfahrung beim Entwerfen und Einrichten der Systeme sowie mit der Auswahl der richtigen Teile für die jeweilige Aufgabe. Wir helfen Menschen, fundierte Entscheidungen zu treffen, die auf der Bühne funktionieren.“

Matt und Alex im Hauptquartier von Gravity Rigs
Zusammen mit Alex Turner leitet Matt Cox Gravity Rigs, ein Unternehmen, das Playback- und Performancesysteme für Live-Acts im gesamten elektronischen Spektrum entwickelt, von den Pet Shop Boys bis zu Disclosure. Ein Blick auf ein paar der Anlagen, die die beiden zusammengestellt haben, veranschaulicht die enorme Bandbreite von modernen Wiedergabe-Systemen.
Für die Chemical Brothers haben die zwei ein ausgeklügeltes Live-Looping-System entwickelt, das einen flüssigen Wechsel zwischen programmierten Shows und gejammten Übergängen ermöglicht. Für DJ Luciano haben sie eine technische Kniffelaufgabe gelöst, indem sie Traktor, Ableton Live und einen modularen Synthesizer in einem äußerst stabilen Setup synchronisiert haben. Und sie haben Plug-and-Play-Performance-Rigs für Künstler wie Bicep und Ovemono entwickelt, die man einfach im Flieger mitnehmen und im Handumdrehen aufbauen kann.
In jedem Fall wurde das Rig auf die Vision und die Ressourcen der Künstler zugeschnitten. Matt Cox fasst zusammen: „Wir helfen Elektro-Künstlern, ihre Ideen so umzusetzen, wie sie es möchten. Wir sind dafür da, ihnen zu helfen, [ihre Musik] in der realen Welt lebendig werden zu lassen.“
Tipps von den Spezialisten
Wie erstellt man nun aber angesichts all dieser Möglichkeiten ein Performance-Rig, das für das eigene Projekt geeignet ist? Diese Frage stellt sich sowohl bei Shows mit Maximal-Budget als auch bei kleineren DIY-Musikprojekten. Natürlich hat ein selbstgebautes Rig möglicherweise eher keine Dante-Schnittstellen, schicke automatische Switcher oder andere Playback-Elemente, die die ganz Großen einsetzen. Aber es gibt ein paar Grundprinzipien, die allgemein von allen befolgt werden könnten.
Das erste? Halte dein Setup einfach.
„Komplexität schafft Probleme“, sagt Tom Cane. Auf Tour können „so viele Dinge schiefgehen, die man nicht kontrollieren kann. Man sollte es sich also einfach machen. Letztendlich sorgt das für gute Shows.“
“Weniger ist mehr. Wenn dein Rig auf haufenweise Schaltern, Kabeln, Konvertern, Adaptern und Maschinen basiert, erhöht sich damit das Risiko möglicher Ausfälle im System.“
Stefano Garotta von Shortcuts Playback stimmt zu. “Weniger ist mehr. Wenn dein Rig auf haufenweise Schaltern, Kabeln, Konvertern, Adaptern und Maschinen basiert, erhöht sich damit das Risiko möglicher Ausfälle im System.“
Dies ist besonders dann der Fall, wenn man sein Setup gerade erst aufbaut.
„Sei nicht zu ehrgeizig“, sagt Matt Cox. „Versuch nicht, gleich am Anfang die Anlage der Chemical Brothers zu bauen. Das ist eine Entwicklung, die 25 Jahre gedauert hat.“
„Fang lieber klein an und baue von da auf“, stimmt Remi Lauw zu. „Füge immer nur eine Hardware- oder Softwarekomponente hinzu und lerne sie in- und auswendig kennen.“
Sobald man sein Setup hat, heißt es ausgiebig testen, um alle Probleme kennenzulernen, die seine Leistung beeinträchtigen könnten.
„Tu das, bevor du mit dem Proben loslegst“, sagt Lauw. „Es gibt immer irgendwas, das nicht funktioniert, weil es so viele Faktoren gibt, die Probleme verursachen können.“
Das bedeutet, dein Equipment auf Herz und Nieren prüfen und sicherstellen, dass der Laptop die erforderliche CPU-Auslastung problemlos bewältigen kann – auch bei längerem Betrieb. Cox und Turner von Gravity Rigs versuchen auch, die extremen Bedingungen zu berücksichtigen, denen ein Setup auf der Bühne ausgesetzt sein kann, wie etwa Hitze und Vibration.

Pierre-Antoine Grissons „Prototyping-Station“, an der er benutzerdefinierte Hardware- und Software-Setups für die Live-Shows seiner Kunden entwickelt.
Pierre-Antoine Grisson, der unter dem Namen KB Live Solutions Playback-Lösungen für Technikerinnen und Techniker entwickelt, musste diese Lektion lernen, als er sich für einen Auftritt die billige Soundkarte eines Freundes auslieh, ohne sie zu testen. „Mitten in meinem Set fing der Sound langsam an, zu zerfallen, als hätte ich ein Redux mit abnehmender Rate. Ich habe die Soundkarte neu gestartet und fast keiner hat was gemerkt, bis es 30 Minuten später wieder passiert ist. Diese Erfahrung hat mich gelehrt, mein Equipment vorher zu testen und nicht zu vertrauensselig zu sein.“
Nächster Tipp: Vorsicht mit Änderungen in letzter Minute. Wenn man unter Druck eine Show fertigmachen muss, kann die Versuchung groß sein, schnell kleine Änderungen einzufügen, die aber später große Probleme verursachen.
Remi Lauw versucht, „vor einer Show nichts mehr zu ändern, ohne nochmal zu proben“, auch wenn dies nicht immer möglich ist. Automatische Software-Updates können zu unvorhergesehenen Problemen führen. Änderungen in letzter Minute erhöhen außerdem das Risiko menschlicher Fehler. Justin Jones erinnert sich, wie er mal vor einer Show mit 10.000 Zuschauern beim Soundcheck noch Änderungen an einem Projekt eingefügt hat. Als die Show losging, wurde ihm klar: „Irgendwie habe ich alle Gitarren-Stems gelöscht und der nächste Song bestand komplett aus Gitarren.“ Glücklicherweise konnte er die Dateien vorsichtig aus dem Live-Browser zurück auf die Timeline ziehen, bevor der nächste Song begann.
Sich auf Fails vorbereiten
Wie du vielleicht bemerkt hast, setzen sich Playback-Spezialisten viel mit Fehlern auseinander. Ob unterbrochene Verbindungen im Rig oder Regenschauer, die die Stromversorgung zerstören: es gibt viele Formen von Fails, von denen manchen leichter zu kontrollieren sind als andere. Wichtig ist es, zu akzeptieren, dass wahrscheinlich irgendwas schiefgeht. Denn dann kann man sich darauf einstellen.
„Ich finde, das ist eine gute Herangehensweise an alles, weil wenn dann etwas schiefgeht, ist man bereits darauf vorbereitet“, sagt Matt Cox. Wenn man einen Backup-Plan hat, ist ein Fail „kein Problem, weil man einfach diesen Plan umsetzen kann.“
Cox und Turner „setzen sich also zusammen und visualisieren Fails“, indem sie sich die Schemata der Anlage ansehen, die sie gerade entwickeln. „Wir sagen dann: ‚Richtig. Also was ist, wenn das hier kaputt geht? Was passiert, wenn das da kaputt geht?‘“, sagt Turner. Das Ziel ist, alle „Single Points of Failure“ zu eliminieren – also Punkte in der Kette, für die man im Fall eines Fehlers kein Backup hat.

Stefano Garottas Playback- und Backup-System für den italienischen Künstler Tananai
Wie könnte ein Backup aussehen? In der Playback-Bundesliga gibt es einfach ein identisches zweites Playback-System, das mit dem ersten synchronisiert und über spezielle Umschalter verbunden ist, sodass es eingreift, wenn etwas schiefgeht. „Große Shows haben normalerweise große Budgets und keinerlei Toleranz für Fails“, sagt Mario Estrada Mari. „Daher ist ein gedoppeltes Playback-System durchaus entscheidend. “
Dies ist allerdings ein teurer Backup-Plan. Wenn die Budgets etwas überschaubarer sind, finden Cox und Turner Lösungen, die die schlimmsten Ausfälle berücksichtigen. Auch wenn die nicht ganz so ausgefeilt sind wie eine komplett redundante Anlage. Als letzten Ausweg empfiehlt Cox: „Man sollte immer ein freies Gerät in Petto haben, das durch nichts getriggert wird, sodass man im schlimmsten Fall immer noch einen Synthesizer hat, der Sounds macht.“ So lässt sich zumindest eine völlige Funkstille vermeiden. Justin Jones hat Shows gespielt, bei denen zur Sicherheit ein iPad mit Instrumentals der Songs bereitstand.
Wenn Tom Cane Projekte als Musikdirektor überwacht, versucht er in jeder Phase des Prozesses ein „minimal funktionsfähiges Produkt“ zu haben. Extras können immer hinzugefügt werden, aber diese Grundfeste – meistens das simple Playback aus Ableton Live – dient als Absicherung. „Irgendwann steigt man mal mitten im Nirgendwo aus dem Flugzeug und das gesamte Equipment ist weg. Für viele unserer Künstlerinnen und Künstler brauchen wir einfach nur einen beliebigen Laptop, hauen die Ableton-Session an und haben damit schonmal etwas.“
Producer, Director, Programmierer, Berater
Auch wenn Cane heute als Musikdirektor arbeitet, spiegelt seine Geschichte die Unschärfe der Rollen in der Playback-Welt wider – besonders in den mittleren Ebenen der Musikindustrie.
„Meinen Lebensunterhalt in der Musik habe ich anfangs mit Playback und MIDI verdient“, sagt er. „Ich saß mit Bands im Studio und habe an Stems gearbeitet, mit ihnen Parts programmiert. Dann haben sie angefangen, mich um Entscheidungen zu Arrangements und Struktur zu bitten. Ich war der musikalische Leiter, nichts anderes. Die Grenzen bei diesen besonderen Rollen sind wirklich fließend.“

Tom Cane of A Work In Progress with Swedish artist Modern Tales
Das hat ihn dazu inspiriert, A Work in Progress zu gründen: eine Firma, die die Regie für elektronischer Livemusik übernimmt und die inzwischen mit Künstlern wie I. Jordan, DJ Seinfeld und Kelly Lee Owens zusammengearbeitet hat. AWIP unterstützt bei einer schier endlosen Bandbreite an Aufgaben, von der Programmierung von Synth-Patches bis hin zur Beschaffung und dem Trainieren von Session-Musikern oder Playback-Diensten und Equipment-Beratung. Die Firma hat auch eine eigene Podcast-Reihe gestartet, in der einzelne Aspekte ihrer Arbeit eingehend diskutiert werden.
Remi Lauw verwendet den Begriff „Live-Show-Musikproduzent“, um seine ebenso vielseitige Rolle zu beschreiben. Die beginnt mit der technischen Frage nach „dem richtigen Equipment“, erstreckt sich dann von der Arbeit an Setlists über das Coaching von Live-Musikern und auch noch weit darüber hinaus. Für Lauw ist die grundlegende Wissensquelle seine eigene Erfahrung als Producer für die Band Secret Rendezvous. „Es gibt definitiv einige Überschneidungen mit dem Job eines musikalischen Leiters, aber ich gehe eher aus der Perspektive eines Musikproduzenten an die Sache heran.“
“Wichtig ist es, zu akzeptieren, dass wahrscheinlich irgendwas schiefgeht. Denn dann kann man sich darauf einstellen.”
Die Vielseitigkeit dieser Spezialisten erinnert an die vielfältigen Arbeiten, die moderne Musiker übernehmen müssen. Heutzutage sind Künstler oft ihre eigenen Manager, Congtent Creators, Tontechniker und Merchandise-Designer. Dieselben finanziellen und technologischen Veränderungen, die diese Situation geschaffen haben, verändern auch die Playbacks. Die Live-Budgets schrumpfen, während neue Technologien auch kleineren Künstlern die Möglichkeit geben, knallige und anspruchsvolle Shows zu gestalten.
Vielleicht wird Playback in Zukunft keine eigene Aufgabe mehr sein, sondern eher Teil eines fließenden Skill-Spektrums, das von kreativen Menschen mit technischem Know-how angeboten wird. Tom Cane glaubt, dass das Playback letztendlich „eine Doppelrolle“ werden wird. Wenn das so kommt, können wir nur hoffen, dass das Wissen weitergegeben wird, damit die Shows der Zukunft reibungslos über die Bühne gehen.
Erfahre mehr über Gravity Rigs, Tom Cane / A Work In Progress, Remi Lauw, Mario Estrada Mari, Pierre-Antoine Grisson, Steffano Garotta
Text und Interviews: Angus Finlayson
Fotos mit freundlicher Genehmigung der Interviewten