Jason Graves: Die Tiefen ausloten

Der zweifache British Academy-Preisträger und Komponist Jason Graves hat mit seinen eindrucksvollen, durchstrukturierten Partituren für gefeierte Games wie Dead Space, Tomb Raider, Until Dawn, Far Cry Primal und The Dark Pictures Anthologydazu beigetragen, den Sound moderner Spiele neu zu definieren. Graves ist vor allem für seine Kombination aus Live-Performance, eigenwilligen Instrumentierungen und innovativen Recording-Techniken bekannt. Seine aufwühlenden Soundscapes sind mittlerweile eine tragende Säule davon, was man in der Gamingbranche als „Survival-Horror-Klassiker“ bezeichnet.
Graves hat nicht nur einige der kultigsten musikalischen Momente von Spielen geprägt, sondern auch an Film- und Fernsehprojekten mitgewirkt, darunter DC Comics' Swamp Thing und 20th Century Studios' gefeiertes Predator-Prequel Prey. Obendrein ist der gefragte Komponist eine treibende Kraft in der Welt des interaktiven Gamings und hat vor Kurzem Moss: Book II aus der preisgekrönten Virtual-Reality-Abenteuerreihe fertiggestellt.
Jetzt kehrt Graves mit Still Wakes the Deep: Siren's Rest zurück, einer Erweiterung des dreimal mit dem BAFTA ausgezeichneten Horrorspiels von The Chinese Room. Mit fast 50 Minuten komponierter Originalmusik taucht die Partitur in ganz neue Klangtiefen ein und verwandelt ein geprepptes Piano, ein Waterphone und eine Penny Whistle in durchdringende Unterwassertexturen. Grave nutzt Ableton als Kreativ-Labor und richtet die Sounddesign-Funktionen von Live für den Einsatz in interaktiven Spiele-Engines ein.
War die Idee, Musik für Computerspiele zu schreiben, überhaupt auf deinem Radar, als du an der University of Southern California Film- und Fernsehmusik studiert hast?
Es war nicht einmal ein Funkeln am Horizont. Es gab Game-Musik zwar schon vor 1997. Aber das war vor dem Internet und ich musste mir sogar ein Verzeichnis aller Colleges kaufen, um an die Kontaktinformationen der USC zu kommen, wo ich studiert habe. Damals gab es noch nicht die Informationsflut, die wir heute haben. Aber ich weiß, dass mein damaliger Studiengang „Soundtracks für Film und TV“ jetzt „Soundtracks für Film, TV und Videospiele“ heißt, das Spektrum wurde demnach erweitert.
Warst du selber Gamer?
Schauen wir zurück in die 80er und 90er Jahre. Damals haben meine Freunde in Spielhallen gezockt und ich saß einfach nur dabei und habe zugeschaut. Ich habe vielleicht auch mal ein paar Minuten für einen Quarter gezockt, aber eigentlich immer lieber meine Instrumente spielen geübt. In vielerlei Hinsicht hat sich für mich der Kreis geschlossen, weil heute habe ich Zugang zu den Builds der Entwickler, wenn ich an Spielen arbeite. Ich kann also auf God Mode switchen und habe unbegrenzte Munition und werde unbesiegbar. Das ist so, als würde ich mit meinen Freunden spielen, ohne alle 10 Sekunden Angst haben zu müssen, zu sterben.
Hat dich das Sounddesign von klassischen Arcade-Scrollern wie Defender gereizt?
Musikalisch betrachtet bestanden die Sounds von Defender aus solchen 8- oder 12-Bit-artigen, knorrigen, mit White Noise erzeugten Sounds. Damit habe ich angefangen, als ich Arrangements für Spiele auf dem Game Boy Advance gemacht habe. Das lief darauf hinaus, dass ich Sachen mit zwei Sinuswellen, einem weißen White Noise-Generator und einer Square Wave arrangiert habe. Eine der ersten, die ich gemacht habe, war die Musik für Star Wars. Aber in John Williams‘ Partitur passieren zehn Sachen gleichzeitig und ich musste sie im Wesentlichen auf drei Stimmen reduzieren. Ich kann mich definitiv daran erinnern, wie ich in Gedanken zurückgereist bin und mir viele dieser Retro-Spiele angehört habe, wie etwa Defender, Asteroids, Pac-Man und etwas später Super Mario. Und ich bin erstaunt, wie präsent das alles noch ist. Heute habe ich 1.000 Stimmen und eine unbegrenzte Anzahl von Spuren auf meiner DAW, aber mir gefällt immer noch der Ansatz, Melodien zu schreiben, die man summen oder auf einem Klavier spielen kann, auch wenn sie ganz einfach ist.
Was war die größte Überraschung oder Umstellung, die du beim Wechsel vom Film in die neue Welt des interaktiven Gamings erlebt hast?
Die naheliegende Antwort wäre: der interaktive Teil. Aber eines der ersten Spiele, an denen ich mit Sony gearbeitet habe, hieß The Mark of Kri. Der Soundtrack bestand hauptsächlich aus Drums. Das war genau nach meinem Geschmack, weil ich Schlagzeuger bin. Am Ende haben wir alles von Grund auf neu programmiert, kleine Soundbanks ins Spiel hochgeladen und MIDI-Dateien geschrieben, die sie auszulösen. Das habe ich bei vielen Game Boy-Sachen gemacht, zum Beispiel bei Tim Power. Das bestand aus Breakbeats und fetten Drum-Hits, die ich fertig klingen lassen musste, bevor ich überhaupt die Musik geschrieben hatte, wobei die Sounds aus dem Spiel heraus getriggert wurden. Um die Musik schreiben zu können, brauchte man damals ein Entwicklerkit, das man erst per Mail zugeschickt bekommen musste. Und man musste sich die Programmiersprache vorher beibringen. Ich weiß noch, dass ich stundenlang mit dem Audio Director telefoniert habe, nur um die Computer Dev Game-Box zum Laufen zu kriegen, damit ich die Sounds triggern konnte. Das war nicht wie heute, dass wenn man Wwise oder FMOD umgehen kann, wahrscheinlich 90 % der Musik in Games oder die Audioprogrammierung für Spiele machen kann.
Erzähl uns bitte ein bisschen was über Still Wakes the Deep: Sirens Rest. Hat das Unterwasserthema dich angezogen?
Dass ich das Original Still Wakes the Deep mochte, lag vor allem daran, dass es von The Chinese Room entwickelt wurde. Zwischen der Fertigstellung des Originals und ihrer Anfrage nach mehr Musik lagen praktisch sechs Monate Pause. Ich liebe die kreative Philosophie hinter The Chinese Room, weil sie ihre Storys ziemlich filmisch schreiben. Sie haben Breite und Spannungsbogen, es gibt Charakterentwicklung und sie scheinen immer eine viel tiefere Bedeutung zu haben als irgendein 08/15-Shooter. Ich war also sofort dabei. Der Unterwasseraspekt von Sirens Rest war im Grunde das, was den gesamten Sound des DLC ausmachte, weil man in einem Druckanzug steckt und die einzigen Sounds, die man als Spieler hört, taktile Vibrationen sind. Alles klingt sehr gedämpft, deshalb wollte ich, dass die Musik diese Unterwasserakustik widerspiegelt, aber auch Tiefe und Druck. Deshalb ist so viel davon sehr tief, grüblerisch, Reverb-lastig und das Mischen ist eine echte Qual, aber die Produktion macht riesigen Spaß.
Du bist für Horror-Soundtracks bekannt, aber „Sirens Rest “ hat ein eher episches Science-Fiction-Feeling. Vermutlich ergibt das in dieser „fremdartigen“ Unterwasserumgebung ja auch Sinn?
Ja, absolut – es hat seine ganz eigene Atmosphäre, man könnte sich genauso gut auf einem anderen Planeten oder im Weltall befinden. Der Ozean ist der gefährlichste Ort der Welt, vor allem je tiefer man geht, und es herrscht eine Atmosphäre der Isolation, Einsamkeit und Klaustrophobie – all das, was schon im Originalspiel vorkam. Aber als ich was vom Gameplay gesehen habe, meinte ich zum Audio Director, dass wir die ganzen Metall- und Kreisch-Sounds rausschmeißen müssen, weil wir uns ja auf einer gesunkenen Ölplattform befinden und es sich nicht so anfühlte, als würde das mit all dem Unterwasserzeug funktionieren. Aber wir wussten auch erst ungefähr bei der Hälfte, wie es dort klingen sollte.
Wie hast du die Sounds auf Story vom zweiten Teil der Still Wakes the Deep -Reihe abgestimmt?
Wie die Sounds zusammengesetzt sind, hat mehr damit zu tun, wie das Gameplay aufgebaut ist und wie man mit dem Spiel interagiert. Im Original Still Wakes the Deep hatte man keine Waffen – man musste den Kreaturen einfach auszuweichen. Aber es gab viel Metall, Ecken, Korridore und lange Gänge. Die Wesen konnten dich sehen, sodass sich die Musik entsprechend änderte und mehr Spannung bekam. Man ist also unter Wasser in der gesunkenen Bohrinsel – es gibt genau eine Person, mit der man über eine Gegensprechanlage kommunizieren kann, und da draußen gibt es noch einige andere Sachen. Das Verstörendste ist, dass das Spiel völlig offen ist und man nicht mehr als drei oder vier Meter weit sehen kann. Sobald also etwas oder jemand nahe genug kommt, gerät man tendenziell einfach in Panik und rennt so schnell wie möglich, schlägt um sich oder schwimmt weg. Man kann sogar um Ecken gehen und sich in Schächten verstecken, da alles auch zeitlich sehr offen ist. Darum musste die Musik weniger unmittelbar auf das Gameplay reagieren und eher einem Auf und Ab folgen, zum Beispiel nach 10 oder 15 Sekunden losgehen. Dafür brauchte man zeitlupenartige Sounds mit langsam ansteigendem Pitch und mit formbarem, unspezifischem, gedämpftem, warmem Klang, die kommen und gehen, mit Ausnahme des gelegentlichen Stichs, der ausbricht.
Schreibst du direkt auf Bilder?
Ich habe einen PC, den ich nur für Games benutze und der auf einen großen Fernseher über meinen Computermonitoren projiziert wird. Als ob ich die Musik für einen Film machen würde. Nur dass ich einen Bluetooth-Joystick habe und das Spiel spiele, es über meine Speaker wiedergeben wird und ich Ableton, Cubase oder Pro Tools parallel zu den Gameplay-Aufnahmen des Developers laufen lassen kann. Das ist cool, denn ich kann Sachen in meine DAW werfen und in einem linearen Format damit arbeiten. Oder ein Chapter öffnen und mir ausführliche Notizen und Kapitel-Marker auf Steam ansehen und auch die durchspielen, besonders nachdem die Musik drin ist. Der Prozess ist ein bisschen ruckelig, weil bis zum Release eines Games ständig irgendwas kaputt ist – das ist der Fluch der Spieleentwicklung!
Was hat dich an Ableton Live als Kreativ-Tool für Games gereizt?
Ich habe nichts Besseres als Ableton gefunden! Zum Beispiel wenn es darum geht, einen LFO zu laden und ihn einfach auf alles zu richten, was ich will. Oder einen LFO auf einen anderen LFO zu setzen und ihn zu modulieren. Es ist unendlich und erinnert mich dadurch an die Game-Programmierung. Es geht gar nicht so sehr darum, ob ich es kann, sondern vielmehr darum, wie ich es am besten mache. Ich benutze sehr gerne Plug-ins von Drittanbietern. Und außer Abletons EQs, Distortion und Kompressoren nehme ich selten Standard-Plug-ins. Was die Drums angeht, habe ich so viel einfach aus den Drum-Pads gebaut, weil man jedes Pad individuell verknüpfen kann. Ich weiß, dass Cubase endlich LFOs hinzugefügt hat, aber das musikalische Sounddesign-Potenzial bei Ableton ist wirklich befreiend. In letzter Zeit habe ich mein modulares Rig ziemlich oft benutzt, aber man kann die Generatoren in Ableton sogar mit seinem Modularen verknüpfen und darauf stimmen. Ich habe außerdem ein USB-Interface mit 16 Ausgängen, sodass ich alles in meinen Laptop hinein und aus ihm heraus routen kann. Ich kann nur das Reverb, unabhängige Tonmodule und die ganzen verschiedenen Effektsteuerungen recorden, während ich in Ableton Zeug generiere. Ich kann sie in das Modularsystem rein- und rausziehen und sie von dort aus anpassen. Wir haben noch gar nicht über das interaktive Potenzial von Ableton selbst gesprochen, das noch mal auf ganz neue Weise kreativ inspiriert.
Gibt es Teile aus deinem Umgang mit Ableton, mit denen du simulieren kannst, wie die Musik auf Spieler-Handlungen reagiert?
Klar. Die Art, wie man Clips anpasst, sie anordnet oder sie per Zufallsgenerator wiedergeben lässt [über Folgeaktionen], sind ein großer Teil davon. Ich habe damit wahrscheinlich vor 10 oder 12 Jahren angefangen, als Ableton das einzige war, womit man das machen konnte. Aber mittlerweile nehme ich einfach eine 8- oder 16-taktige Phrase, werfe sie in Clips und lasse verschiedene Kanäle verschiedene Instrumente darstellen. Dann tüftele ich eine Randomisierung und die optimale Art aus, wie sie aus interaktiver Sicht wiedergegeben werden können. Zum Beispiel habe ich drei 20-sekündige Musiksegmente geschrieben, die alle in beliebiger Weise miteinander interagieren können sollen. Und ich kann optimieren, wie oft jedes einzelne abgespielt und wie oft sie wiederholt werden. Nichts davon war verfügbar, als ich angefangen habe, mit Ableton zu arbeiten. Und ich habe bis heute nichts anderes gefunden als die Game-Engine-Programme von Drittanbietern wie Wwise, MetaSounds oder FMOD. Das Schöne an Ableton ist, dass es völlig eigenständig ist, sodass ich nicht von Spielständen oder ähnlichem abhängig bin. Das ist schon echt ähnlich wie Musik in ein Spiel einzusetzen.

Graves‘ DAW-Workstation
Du hast Tools wie FMOD und Wwise erwähnt. Wie bildet Ableton eine Brücke für die Interaktion mit solcher Middleware?
Das Schöne an Ableton ist, dass man Sachen programmieren, mit einer einzigen Taste auf die Clips klicken und sie so gestalten kann, dass sie auf verschiedenen Spuren verschiedene Sachen machen. Oft switche ich zwischen Game States ohne den Entwickler. Das heißt, ich schaue auf meinen Ableton-Bildschirm an der Seite und teste Sachen, um zu sehen, wie sie sich mit Transations und Stadien des Gameplays anfühlen, ohne davon abhängig zu sein, dass der Entwickler erst alles programmieren und sie ins Spiel einbauen muss. Es ist, als ob man eine Vorschau in Echtzeit hat. Sogar als ich selbst in Wwise programmiert habe, war es für mich einfacher, einfach alle meine Soundbites in Ableton zu werfen und schnell in fünf Minuten eine interaktive Session zu bauen, um zu sehen, wie sich alles beim Switchen und oder mit Zufallswidergabe anfühlen würde, statt darauf zu warten, dass der Developer alles aus der Middleware überträgt. Mit Ableton kann ich diese Prozesse also sehr schnell simulieren und sie bei Bedarf problemlos duplizieren und erweitern. Auch für Entwickler ist das eine prima Option für Previews, weil sie noch keine Zeit darauf verwenden müssen, alles in das Spiel zu integrieren, aber trotzdem hören können, wie sich die Sounds natürlich entwickeln und bewegen.

Jason Graves' Waterphone
Was das Sounddesign angeht, hast du, glaube ich, ein paar Musikinstrumente wie ein Waterphone und eine Tin Whistle benutzt. Wie haben sie dich beim Sounddesign untertsützt?
Die Penny Whistle stammt aus dem Originalspiel. Es war eines der ersten Male, dass ich mit Aufnahmen auf192k experimentiert habe. Und ich bin echt kein Holzbläser oder Penny-Whistle-Spieler, aber ich habe ein paar Tin Penny Whistles für 10 Dollar bestellt, sie gleichzeitig gespielt, sodass sie ein wenig verstimmt waren, und sie in Stereo aufgenommen. Meine Idee war es, einen wirklich hohen, dünnen, kleinen Ton einzufangen. Aber als ich von 192k auf 48k herunterging, sank er um zwei Oktaven und wurde im Wesentlichen viermal so lang. Im Grunde habe ich diese eine Note genommen und ein übertriebenes Vibrato draufgepackt, das auf der Originaltonhöhe etwas albern klang, aber am Ende ein wirklich cooles, fast ozeanisches Wellengefühl gebracht hat. Ich liebe Simpler in Ableton. Also habe ich ihn da reingeworfen, angefangen, bei 48k damit zu experimentieren, und so wurde er zum Sound eines Teils des Originalspiels. Der Rest des Soundtracks basiert auf dem gleichen Prinzip wie Sirens Rest. Darum war mit das Erste, woran ich gedacht habe, mein Waterphone. Ich habe ein richtig großes mit vielen verschiedenen Tonhöhen. Und ich wollte einfach den Sound von etwas, das über dem Ozean war, aber in die Tiefe gesunken ist. Ich habe auch einen Moog DFAM für ein paar Herzschlag-Sounds benutzt, aber meistens habe ich Ableton-LFOs und umgekehrte Hüllkurven eingesetzt, um den Ton von Blut, das durch die Adern rauscht oder Atmung zu simulieren. Als Drummer und Percussionist ist mein erster Gedanke immer: Welche Original-Sounds kann ich erzeugen, die unique sind und alles noch interessanter machen? Hier kommt die Sounddesign-Power von Ableton voll zum Einsatz.

„The Rig“ – aus Jason Graves‘ Arsenal an Sounddesign-Tools
Kaufst du oft trashige Sachen, um sie irgendwann später mal einzusetzen?
Ja, absolut. Ich habe mal ein Klavier für 200 Dollar gekauft, etwa 15 Jahre bevor ich den Auftrag bekam, ein gruseliges, akzentuiertes, abstraktes und spannendes Sounddesign zu produzieren. Das hat sich also tausendfach gelohnt. Ich habe das Waterphone und die Penny Whistle schon vor einiger Zeit gekauft. Aber ich kaufe alles, was meiner Meinung nach einen interessanten Sound erzeugt. Wenn ich an einer bestimmten Partitur wie beispielsweise Far Cry Primal arbeite, gehe ich shoppen Felsen, Steine, Pflanzen und Büsche shoppen. Manchmal stöbere ich auch einfach herum – in einer meiner Garagen habe ich eine Wagenladung an Instrumenten gelagert, darunter große Trommeln und alles mögliche aus Metall. Kennst du diese Metallteile, an denen man beim Umziehen seine Kleidung in einem großen Kleiderschrank aus Pappe aufhängt? Ich habe drei davon aufgehoben, als wir vor 10 Jahren umgezogen sind, und sie vor ein paar Jahren endlich zum ersten Mal bei Call of Duty verwendet. Ich habe sie einfach mit Kabelbindern an einem Mikrofonständer aufgehängt und sie hatten den coolsten Sound. Ich habe in der Mitte meines Zimmers ein X aus Klebeband gemacht, zentriert zwischen etwa acht Mikrofonen, die für Nah-, Mittel- und Fernaufnahmen eingerichtet sind. Und ich habe die Dinger einfach in Echtzeit gespielt und sie auf allen acht Kanälen aufgenommen.

Graves begann seine Musikkarriere als Schlagzeuger – diese frühe Ausbildung beeinflusst seine Arbeit noch immer
Hast du in den letzten Jahren besondere Entwicklungen in der Games-Branche bemerkt, was das Komponieren betrifft?
Eine Sache, die mir im letzten Jahr aufgefallen ist, ist, dass in jedem NDA, also den Geheimhaltungsvereinbarungen, die man unterschreibt, sinngemäß drinsteht: „Wir stellen Sie noch nicht ein, aber schicken oder schreiben Sie uns gern etwas Musik, solange Sie versprechen, dass sie nicht KI-generiert ist.“ Und das liegt nicht daran, dass den Spieleherstellern die Sounds der KIs nicht gefallen, sondern eher daran, dass sie das Urheberrecht an von KIs generiertem Ton nicht im Griff haben. Und ich spreche da nicht davon, dass Soothe mein Waterphone zu blechern klingen lässt, sondern davon, dass man Wörter eintippt und die KI dann ganze Songs ausspuckt. Im Hinblick auf Eigentums- und Urheberrechte geht's da derzeit wirklich noch zu wie im Wilden Westen, insbesondere bei Spielen. Darum sehe ich, dass viele Türen für die Möglichkeiten von KI-generiertem Material geschlossen bleiben. Ich weiß, dass sich dieses Zeug in unsere DAWS einschleichen wird – es ist bereits da. Bei Garage Band kann man einfach an einem Knopf drehen, um Drums komplizierter oder weniger kompliziert zu machen oder hier und da ein Fill hinzuzufügen – und solche Sachen sind hilfreich. Aber es sollte nicht darum gehen, Enter zu drücken und einfach zu übernehmen, was auch immer dann ausgespuckt wird.
Wenn du das perfekte Game-Soundtrack-Projekt für dich selbst entwerfen dürftest, wie würde es aussehen?
Das wäre eines, das ich nie fertigstellen würde, weil es ein unbegrenztes Budget und keine Deadline gibt. Ich glaube, das Einzige, was ich aus Entwickler-Sicht erwähnen würde, war, als ich gehört habe, dass Naughty Dog Nine Inch Nails für ihren Soundtrack engagiert hatte. Ich wollte schon immer für Naughty Dog schreiben, weil ich ihren filmischen, storybasierten Ansatz bei Games liebe. Aber da würde ich ja buchstäblich gegen Rockstars antreten! Aber man darf träumen, vielleicht klappt's ja eines Tages.
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Text und Interview: Danny Turner
Fotos mit freundlicher Genehmigung der Band