
Technologie ist untrennbar mit Techno-Musik verbunden â man findet sie sozusagen schon in ihrem Namen. Die musikalischen EinflĂŒsse, aus denen sich das in Detroit entstanden Genre speiste, testeten bereits neue Arten des musikalischen Ausdrucks, Techno jedoch lĂ€utete einen entscheidenderen Bruch mit der Tradition ein, bedingt durch die rasanten Entwicklungen der elektronischen MusikgerĂ€te.
Die Assimilation des Computers in das Studio-Setup des Trad-Technos verlief nach modernen MaĂstĂ€ben eher zögerlich und bewegte sich zwischen den Extremen eines sterilen digitalen Purismus und Anti-Laptop Hardware-Elitedenken. Der allgemeine Konsens scheint jetzt aus einer Mischung von Disziplinen als SchlĂŒssel fĂŒr eine fruchtbare Erforschung des Technos zu bestehen. Die meisten Produzent:innen, die seit den AnfĂ€ngen aktiv sind, haben zumindest teilweise die damals populĂ€ren Meinungen und Studiopratiken vertreten.
Eric Dulan, aka DJ Bone, ist einer der Figuren, die seit den frĂŒhen 90er-Jahren aktiv sind. Er veröffentlichte seine erste Platte um das Jahr 1996 und produziert seitdem kontinuierlich faszinierenden Techno. Als DJ ist Dulan heute bekannter denn je. Als Spin Master an drei oder mehr Decks mit Chops und Flair, die jeden Clubraum in Extase versetzen, eroberte er zurecht die Phantasie nachfolgender Partygenerationen weltweit. Aber auch als Produzent ist er gleichermaĂen erfolgreich. Sein Label Subject Detroit feiert dieses Jahr sein 25-jĂ€hriges Bestehen im MusikgeschĂ€ft. Wir trafen den Mann aus Detroit in Amsterdam, um herauszufinden, wie sich seine Herangehensweise an Techno seit Mitte der 90er-Jahren analog zu den weitreichenden technologischen Entwicklungen verĂ€ndert hat.
Community Spirit
Wie bei so vielen anderen DJs, aus denen KĂŒnstler:innen wurden, war Dulans Reise in die Welt der Musikproduktion genauso sehr der Not entsprungen wie der Neugier.
âIch war in der ganzen Stadt am Auflegen,â sagt er, âund ich wollte einen bestimmten Sound spielen, von dem ich einfach nicht genug Tracks finden konnte, deshalb habe ich mir gesagt, âOK, dann mache ich einfach meine eigenen Sachen.â Ich habe mir zuerst eine All-In-One-Workstation gekauft â die Kurzweil K2500. Ich hatte mein ganzes Geld gespart und musste mich dann zwischen einem Auto oder einem Keyboard entscheiden⊠und ich habe das Keyboard genommen.â
Die Hardware war fĂŒr ihn ein gewaltiger Lernprozess, aber Dulan hatte GlĂŒck, weil er in Detroit Zugang zu einer Weltklasse-Community von Techno-VorgĂ€ngern hatte. Dulan verbrachte Nachmittage mit Mad Mike und Juan Atkins, an denen er sie ausfragte, oder hing in Kenny Larkins Studio ab. Dabei bekam er von den Pionieren der ersten und zweiten Welle des Detroit Techno bereitwillig Antworten auf seine Fragen. WĂ€hrend es zuerst um Troubleshooting am MIDI-Patching oder an der BrummunterdrĂŒckung ging, bekam er schon bald Mixdown-Tipps und spezielle Techniken gezeigt, wie z. B. Reverse-Edits mit einem Tonband (wĂ€hrend einer nĂ€chtlichen Editing-Session mit Mad Mike).
âIch habe das beste aus ihr [Kurzweil] herausgeholt,â sagt Dulan lachend. âIch hatte noch nicht einmal ein Mischpult. Ich habe auf dem integrierten Sequenzer abgemischt, mitsamt EQ und allem, und das ging dann direkt zum DAT.â
Als Dulan das erste Mal mit einer Drum Machine arbeiten durfte, war es ein unvergessliches Erlebnis. Zwischen 1993 und 1994 lebte er mit Nachbarn wie Carl Craig und Kelli Hand in einem Loft im Osten von Detroit.
âEines Tages kam Claude Young mit einer SP1200 vorbeiâ erinnert sich Dulan. âEr meinte, âWillst du mit zu Kelli runterkommen? Ich mache gerade ein Remix fĂŒr sie.â Das war das erste Mal, dass ich an einer Drum Machine war, und er hat mir gezeigt, wie es funktioniert. Ich habe dann am Ende auf der Stelle einen Remix fĂŒr Kelli Hand gemacht [den man auf einem seltenen White Label namens Love Games finden kann]. Es war eine gute Community, und in der Anfangszeit haben viele Leute zusammengearbeitet. Es war kĂŒnstlerischer, bevor das Business mit ins Spiel kam.â
Hardware-Profiteur
In den frĂŒhen Phasen seiner Karriere war der Zugang zu technischen GerĂ€ten fĂŒr Dulan ziemlich begrenzt. Es gab jedoch eine ĂŒberraschend glĂŒckliche FĂŒgung durch seinen besten Freund Paul Staricco, der schon immer groĂes Interesse an analogen Synthesizern und Drum Machines gezeigt hatte, ohne selbst als Produzent aktiv zu sein.
âPaul zog 1994 oder '95 von Detroit nach San Francisco,â erklĂ€rt Dulan. âIch bin ihn in seiner kleinen Wohnung besuchen gegangen, und sein Wohnzimmer stand voll mit Equipment. Der verdammte Jupiter 6, die Juno 106, der JB 2080, Arp Axe, alle möglichen Drum Machines. Er hatte das alles nur gesammelt. Er sagte, âIch wusste ja, dass du kommst, und ich dachte, du könntest das fĂŒr mich anschlieĂen.â Das habe ich dann gemacht und dabei alles ausgetestet, und er meinte dann, ânaja, wenn du willst, leg' einfach los und mach' Musik, wenn du sowieso hier bist.ââ
Dulan fing an, alle paar Monate an die WestkĂŒste zu fliegen, um mit Stariccos Equipment zu arbeiten. Er entwickelte dabei eine Vielzahl neuer Ideen, die die Basis fĂŒr viele Tracks bilden sollten, wie z.B. âBody Bagsâ, âKnowhereâ und viele mehr.
FrĂŒhe Veröffentlichungen
Dulans erste Erscheinung auf Vinyl war die passend benannte Electronic Birth EP auf dem deutschen Label Molecular Recordings im Jahr 1996. Es dauerte weitere zwei Jahre, bis er in aller Stille sein Label Subject Detroit unter dem Pseudonym Subject No startete. Dulan wollte damit alle Verbindungen zu seiner etablierten DJ-Karriere kappen, um herauszufinden, wie die Musik aus eigener Kraft laufen wĂŒrde. Musikalisch zeigte sich Dulan dadurch schon frĂŒh als unerschrockener Innovator, der sich den etablierten âNormenâ des Techno als Genre entgegensetzen wollte. Im Mittelpunkt seines Einsatzes fĂŒr die Politik fĂŒr POC stand das immer noch relevante Mantra âblack lives⊠poverty⊠aspirationâ, also âschwarzes LebenâŠArmut⊠das Streben nach einem besseren Lebenâ, das sich in âBlack Livesâ wiederfindet. Diese Position hat er bis heute beibehalten. Er benutzt seine Plattform, um Themen wie Rassismus und Ungleichheit mit demselben Eifer zu begegnen, wie Underground Resistance oder seine Lieblings-Hip-Hop-Gruppe Public Enemy es tun.
âAls ich angefangen habe, Musik zu machen, war es fĂŒr mich selbstverstĂ€ndlich, dass diese Songs eine Message haben,â erklĂ€rt Dulan. âAls ich âBlack Livesâ produziert habe, waren diese drei Dinge fĂŒr mich tĂ€glich prĂ€sent. âBlack lives. Poverty. Aspiration.â Wenn du schwarz bist, kannst du das nicht verstecken. Und wenn du pleite bist, kannst du nichts anderes machen, als nach etwas Besserem streben zu wollen⊠du wirst immer etwas wollen, entweder willst du besser sein oder etwas besser machen. Es gibt immer eine Hoffnung. Was die meisten Kids ohne Kohle alle gemeinsam haben, ist die Hoffnung.â
Aus produktionstechnischer Sicht brachte die vier Songs starke EP seine IdentitÀt ebenso eindringlich zum Ausdruck, nicht zuletzt wegen der Drums, die im Ohr hÀngenbleiben. Mehr als 20 Jahre spÀter ist die Allgegenwart der 808 und 909 erstaunlicherweise immer noch dominant in der Techno-Musik. Als Detroit Techno gerade einmal 10 Jahre alt, war die Situation die gleiche.
âIch wollte schon immer verschiedene Drums verwenden,â erklĂ€rt Dulan. âIch wollte nicht nur ein Preset benutzen. Ich wollte selber experimentieren. Das habe ich schon immer am liebsten gemacht. Ich liebe 909 Drums, aber ich will nicht nur 909 oder 808 Drums benutzen. Es ist so komisch, dass wir immer die gleichen Drums in einem Genre verwenden, das doch eigentlich futuristisch sein soll.â
Dulan nahm sich seinen Akai Sampler, um einzigartige Drum Sounds to erschaffen. Er legte verschiedene Klangfarben auf seine Drum-Hits, und benutzte andere Drum-Maschinen wie zum Beispiel die LinnDrum, die er so einstellen konnte, dass sie nicht mehr âso Linn-yâ klang.
âViele Leute stimmen stĂ€ndig ihre Drums. Mir macht es nichts aus, die Drums zu stimmen, aber mir geht es mehr darum, welchen Effekt die Drums haben und welches GefĂŒhl sie vermitteln, und nicht so sehr, ob sie in Tune sind oder nicht. FĂŒr mich sind Drums eher maĂgeblich, wenn es um ein Muster geht. Wie James Brown immer gesagt hat: âDrums sind alles. Das Horn sind die Drums, die Gitarre sind die Drums.ââ
Nach eigenen Angaben verkaufte sich Subject No. 1 12" gut, was ein guter Start fĂŒr seine Karriere als Produzent und sein Plattenlabel hĂ€tte sein können, wĂ€hrend sein Ruf als DJ weiter am wachsen war. Dulan verlor jedoch seine Illusionen im Laufe seiner professionellen Musikkarriere hinsichtlich verschiedener Aspekte der Musikindustrie, wie zum Beispiel dem Gerangel um Finanzen und einer vom Ego getriebenen Politik. Seine Erfahrungen fĂŒhrten ihn davon weg, Karriereziele zu verfolgen, stattdessen legte er seinen Fokus wieder auf das Musikmachen.
âDas MusikgeschĂ€ft ist wirklich schockierend, wenn du zum ersten Mal damit zu tun hastâ, erklĂ€rt er. âIch hatte das GefĂŒhl, dass ich lieber Musik machen wollte, anstelle zu veröffentlichen und ein Teil davon zu sein. Ich war dabei, jede Menge Songs anzuhĂ€ufen, als ich meine Frau traf. Sie hat mir dabei geholfen, mit dem Releasen wieder anzufangen. Sie meinte: âDu solltest einfach loslegen und die Leute deine Musik hören lassen.ââ
Die Stille unterbrechen
DJ Bone tauchte 2004 mit einer Flutwelle an Veröffentlichungen wieder auf, die zeigte, wieviel Fortschritt er darin gemacht hatte, seine eigene Interpretation der Detroit Techno-Tradition zu verfolgen. Tracks wie zum Beispiel âWind Slaves (Fog)â verzichteten auf die vertrauten 4/4 Kick Drums, stattdessen wurden hier schrĂ€ge rhytmische Figuren und warme Sound-Pads verwendet, um die kinetische Energie des Techno einzufangen. âEffects Of Changeâ besaĂ einen Groove, der ebenso funky wie seltsam war. Auf âThe Hold (Tight Packing)â erschuf Dulan einen klaustrophobischen Krach, der der schmerzhaften Erfahrung der transatlantischen Sklaverei entsprach. Seine Herangehensweise an die Politik fĂŒr POC aus musikalischer Perspektive war trotzdem mit einer Hoffnung und innerer Kraft durchdrĂ€ngt, in der seine Empfindung des Strebens nach einem besseren Leben nachklang. TatsĂ€chlich fĂ€llt es schwer, Dulans politische Ansichten in seiner Musik nicht zu entdecken. Er samplete beispielsweise die Anti-Apartheid-RadioĂŒbertragungen des African National Congress And The Peopleâs Army Umkhonto We Sizwe fĂŒr âCause Of Actionâ oder platzierte Tommie Smith und John Carlosâ Black Power Salut bei den Olypmischen Spielen 1968 auf dem Label seiner Struggle EP. Einer der wenigen FĂ€lle, in denen sich der Ton der Musik und der Inhalt des Samplings in einen konkreteren Zorn verwandelte, fand sich 2005 auf âBody Bagsâ, wo sich die dĂŒstere Hookline âIâve got Detroit on the line, they need 4,000 body bagsâ mit losgelösten Synth Stabs und einem hĂ€mmernden, gedoppelten Beat verbindet. Frustration und Wut springen hier merklich aus den Lautsprechern.
âEs ist traurig, aber âBody Bagsâ ist das Ergebnis davon, in Detroit aufzuwachsen und stĂ€ndig vom Tod umgeben zu sein,â erklĂ€rt Dulan. âJedes Mal, wenn man die Nachrichten anmacht, wird jemand erschossen, oder sogar wenn man die Nachrichten nicht anmacht und stattdessen einfach Fernsehen schaut, hört man drauĂen plötzlich SchĂŒsse. Es passiert tĂ€glich und versetzt dich in diesen komischen Zustand, in dem das normal wird. An den meisten Silvesterabenden meiner Kindheit sagten meine Eltern uns, dass wir vom Fenster fern bleiben und um Mitternacht auf dem Boden sitzen sollten. Und am nĂ€chsten Tag konnte man vielleicht hören, dass ein QuerschlĂ€ger durch ein Haus geschossen wurde und ein Kind getötet hat. Einfach blöde ScheiĂe. RĂŒcksichtslose Gewalt. Darum geht es bei âBody Bagsâ. Ich wollte zeigen, wie sinnlos es ist, dass so etwas normal ist.â
Fortgeschrittene Techniken
Die Flut an neuem Material machte es offensichtlich, dass Dulan fĂŒr seine Musik jetzt fortgeschrittene Techniken verwendete. Es gab keine rauen Maschinenattacken mehr, wie sie auf der Metroplex-Single âShut The Lites Offâ zu hören sind. Stattdessen war der Weg frei fĂŒr ausdrucksstarke Synth-Motive und einzigartig strukturierte Rhythmen, die klar und prĂ€zise wiedergegeben wurden. Auf dem Track âMetalloâ kommt das besonders deutlich zum Ausdruck, da dieser sich mit seinen schroffen Kanten, seekranken Akkorden und wild modulierenden KlangfĂ€den, die hinter dem Lead-Beat pulsieren, dem Gebiet der Electronica annĂ€hert. Wenn dann der Groove knapp nach der HĂ€lfte des Tracks anfĂ€ngt zu spielen, klingt es wie reiner Detroit Techno, aber die AusfĂŒhrung zeigt, wie weit der DJ Bone Sound derzeit aus dem Rampenlicht gerĂŒckt war.
âIch glaube, ich habe âMetalloâ so ungefĂ€hr zu der Zeit produziert, als ich anfangen haben, Live zu verwendenâ verrĂ€t Dulan. âIch habe gesehen, dass man die Samples in Live ziehen und ablegen kann und dass das Programm sie fĂŒr dich zeitlich streckt. Das hat mich an die Zeit erinnert, in der ich Samples auf meinem Akai S2800 geschnitten habe. Ich wusste dann, dass ich einfach mit allem experimentieren konnte, ohne mir Sorgen machen zu mĂŒssen, weil es die Undo und Autosave-Funktion gab.â
Auf âMetalloâ benutzte Dulan gezielt zwei Doepfer-Sequenzer, bei denen er die Muster auf unterschiedlichen LĂ€ngen laufen lieĂ, um zu erreichen, dass seine Samples in Live verblĂŒffende polyryhthmische Formationen bildeten. Nachdem Live Teil seines Workflows geworden war, wurde ein MIDI-Patchbay Dreh- und Angelpunkt seines Studio-Setups. Dadurch war es ihm möglich, mit verschiedenen AnschlĂŒssen zu arbeiten, CC-Nachrichten an verschiedene Maschinen zu schicken und zu verketten, um stĂ€ndig ĂŒberraschende Ergebnisse zu erzielen. Er arbeitete oft an zwei oder drei Songs gleichzeitig und probierte mit bestimmten Patches verschiedene Ideen aus, bevor er eine gröĂere Anzahl an Live-Takes auf DAT aufnahm, alles wieder neu verkabelte und sich mit dem nĂ€chsten Projekt befasste.
âAm Anfang habe ich externe AusrĂŒstung in Kombination mit Live benutzt. Ich habe an einem Mischpult gearbeitet und Live nur zum Sequenzieren verwendet und zum Samplen, das war alles. Ich habe mich lange Zeit nicht einmal mit den Sounds auf Live befasst, weil ich immer dachte, âPresets? Nein, danke.â Ich habe dann einfach eigene Soundbanken erstellt, indem ich mit externen Modulen wie dem EMU Planet Phat und Orbit rumgespielt und dann gesampled habe.â
Tief verwurzelte Rhythmen
Was Dulans Version des Detroit Techno von Anfang an auszeichnete, war seine Herangehensweise an den Rhythmus. Selbst wenn ein erfahrener DJ seine Tracks in einer 4/4-Taktung einzĂ€hlen kann, so bewegen sie sich doch auf klanglicher Ebene in nuancierten Polyrhythmen, die das Gehirn und die TĂ€nzer auf Trab halten. Der Groove auf einem Track wie âBody Bagsâ wirft den Zuhörer leicht aus der Bahn, obwohl es im Mix einen Kick als Konstante gibt, und die Percussion, die durch âMotherlandâ wirbelt, hat Ă€hnlich wie die StammesgesĂ€nge einen direkten Bezug zu Afrika. Es ist deshalb nicht ĂŒberraschend, dass Dulan es mit seinem VerstĂ€ndnis von Rhythmus ernst meint.
âIch habe angefangen, viele afrikanische Rhythmen zu studieren,â erklĂ€rt Dulan. âIch habe mir einige BĂŒcher besorgt und jede Menge CDs von echten StĂ€mmen gekauft, um mir die Rhythmen anzuhören und herauszufinden, woher sie kamen und was sie ausdrĂŒckten, und es klang einfach die ganze Zeit so gut. Wenn ich es mir anhörte, konnte ich es fĂŒhlen. Es hat mich motiviert. Deshalb arbeite ich gerne mit vielen afrikanischen Ryhthmen. Es ist das Mutterland â der Geburtsort der Drums, des Beats.â
Clubhits und Unerwartetes
Obwohl sein Name jetzt bekannter sein mag, blieben Dulans Veröffentlichungen die meiste Zeit seiner Karriere unter der OberflĂ€che verborgen â verehrt von denjenigen, die den Finger am Puls der Zeit hatten, aber zu weit drauĂen fĂŒr den Mainstream der Clubszene. In seinem Backkatalog jedoch gibt es bestimme Tracks, die der Idee eines Clubhits nĂ€her kommen. Dazu zĂ€hlt âCircus Worldâ aus dem Jahr 2008, auf dem er seine Stimme gegen die Aspekte der Musikindustrie erhebt, die ihm in den frĂŒhen Tagen missfallen hatten. âBorrowed our soul, return it with interest, you canât replicate it in your Circus World,â bringt er es singend auf den Punkt. Es ist einer seiner eingĂ€ngigsten und stĂ€rksten Tracks, der zudem einen relevanten Beitrag zur kulturellen Aneignung der Technokultur liefert. Sogar der Clap am Anfang des Songs auf der Zwei und der Vier fĂ€llt schon auf. Drei verschiedene Claps sind hier mit reichlich Reverb ĂŒbereinander gelegt und dann wieder auseinander gestoĂen worden, um einen besseren Effekt zu erzielen.
Dulan beschreibt den Groove in âCircus Worldâ als eine sorgfĂ€ltig ausgearbeitete âauditive Illusionâ, nicht zuletzt wegen der schwer fassbaren MelodiefĂŒhrung, die mit zwei separaten Synth-Sounds und einigen leichten Effekten erzeugt wurde. Er schubste den zusammengesetzten Sound in den Vordergrund und schob den Beat in den Hintergrund, um es einmalig und funky klingen zu lassen. Wie er selber sagt, war das genau die Idee, die er im Kopf hatte, und es erforderte einfach sorgfĂ€ltige Arbeit um Studio, um das zu erreichen.
Auch wenn es schwer fallen wĂŒrde, Dulans Style auf eine bestimmte Beschreibung festzulegen, gibt es in seinem Katalog dennoch unerwartete Momente, die herausstechen. Der Vocoder-Track âHimbotâ ist ein solches Beispiel. Er entstand ebenfalls Ende der â00er-Jahre und hĂ€tte neben dem Crossover-Electro-Techno von KĂŒnstler:innen wie Miss Kittin & The Hacker kaum deplatziert geklungen.
âIch dachte, âdas ist nichts, was ich sonst tun wĂŒrde, also muss ich es machen.ââ sagt Dulan zu dem Moment, in dem er die Idee zu âHimbotâ wĂ€hrend einer Studio-Session hatte. âZu der Zeit war ich bereit dafĂŒr, mein Mischpult aufzugeben und auf Live zu sequenzieren. Die SoundqualitĂ€t musste noch besser werden, aber was die FunktionalitĂ€t angeht... Bei den DJ-Mixern ist mir die FunktionalitĂ€t immer wichtiger als die QualitĂ€t wegen der Leistung, und bei Live war es dasselbe. Selbst wenn mir manche Dinge gefehlt haben oder ich mit meinem Mischpult eine bessere KlangqualitĂ€t haben konnte, machte mich die FunktionalitĂ€t von Live frei dafĂŒr, verrĂŒcktere Sachen auszuprobieren.â
Verschiedene AusdrĂŒcke
Seit mehr als 10 Jahren hat Dulan seinen Sound weiterentwickelt, und wĂ€hrend es zwar weiterhin DJ Bone-Veröffentlichungen auf Labels wie Sect und Leftroom oder Subject Detroit gab, floss seine Energie auch in ein neues Projekt. Sein Alias Differ-Ent tauchte 2015 auf dem UK Label Donât Be Afraid auf, und fĂŒhrte schlieĂlich zwei Jahre spĂ€ter zur Veröffentlichung seines Albums Itâs Good To Be Differ-Ent . Dulans Musik war zwar schon immer elektrisiert durch seine Innovationskraft, dennoch ist Differ-Ent fĂŒr ihn ein deutlich anderes kĂŒnstlerisches Vehikel als DJ Bone.
âIch habe mich [mit Differ-Ent] mehr mit der Software befasst,â erklĂ€rt er. âEs war strukturierter, als ob ich versuchen wĂŒrde, elektronische Songs zusammenzusetzen. Es war mehr Wissenschaft als Musik. Die neuen DJ Bone-Sachen werden funkier sein als die Sachen von Differ-Ent.â
Dieser Gedanke an neues Material hĂ€ngt wĂ€hrend unseres GesprĂ€chs in der Luft. In den letzten Jahren hatte Dulan mehr zu tun als zu jedem anderen Zeitpunkt in seiner Karriere als DJ, und es fĂ€llt auf, dass er seit den DJ Bone Alben Beyond und A Piece of Beyond 2018 kein neues Material mehr veröffentlicht hat. Europa befindet sich mitten in der ersten Welle der Coronavirus-Pandemie wĂ€hrend unseres GesprĂ€chs, und Dulan und seine Frau wohnen erst seit kurzer Zeit in ihrem neuen Haus am Stadtrand von Amsterdam. Ein neues Studio und deutlich reduzierte AuftrittsplĂ€ne legen einen Richtungswechsel fĂŒr Dulans musikalischen Output nahe, der sich hin zu einem âtechnisierterenâ Ansatz bewegt.
âEhrlich gesagt ging es bei 80 Prozent der Musik, die ich veröffentlicht habe, mehr um den Ausdruck,â sagt er. âVon Ship Life, ĂŒber Songs wie âCircus Worldâ bis hin zu âAll My Heartâ und âRosedale Parkâ, das sind alles nur Vibes und Ausdrucksformen. Ab und zu mache ich einen Track wie zum Beispiel âDreamers 9â, auf dem ich einfach nur eine Spur bearbeitet habe, und er wurde dann von allen gespielt, angefangen bei Josh Wink und eingefleischteren Techno DJs bis hin zu Peggy Gou. Keiner weiĂ, was kommen wird. Es ist fast so, als ob ich ein Koch wĂ€re, der in der KĂŒche ohne Rezepte am Freestylen ist.
Ein LĂ€cheln zieht sich ĂŒber sein Gesicht, wĂ€hrend er am Teasen ist. âWartet ab, bis ich es mit einem richtigen Rezept versuche, und dann schauen wir mal, was passiert.â
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Text und Interview: Oli Warwick